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Reisebericht über Schottlands Lowlands per Rad

Alle wollen in die Highlands. Wirklich alle? Nö! Freund Kai und ich wollen diesmal die schottischen Lowlands, auch Borders genannt, mit dem Rad erkunden. Der Süden Schottlands, also der Bereich zwischen England und den schottischen Metropolen Glasgow und Edinburgh auf der einen, sowie der Irischen See und der Nordsee auf der anderen Seite, ist touristisch noch recht wenig erschlossen. Uns zieht es von Edinburgh zum südlichsten Zipfel Schottlands, zum Mull of Galloway. Von hier blickt man schon auf die Isle of Man und bei guter Sicht nach Irland. Wir wollen diesmal der Küste bis Gretna Green folgen. Diese Tour soll als „Southcoast 200“ (200 steht für 200 Meilen) 2019 unser Programm bereichern. Nur so viel vorab: Die Lowlands entpuppen sich als traumhaft ruhiges Radelrevier!      
geschrieben von Carsten Okkens (2018)

1. Tag Die Anreise

Der große Tag ist da. Unser Flug nach Edinburgh startet am späten Nachmittag von Hamburg. Kai und ich treffen uns mit plenty of time (3 Stunden vor Abflug) am Hamburger Flughafen. Dass wir am Ende dann doch fast die Beine in die Hand nehmen müssen, ist dem umständlichen Aufgabeprocedere für unserer Fahrräder geschuldet. Meine bisherigen guten Erfahrungen werden reichlich revidiert. Jede Airline scheint es anders zu handhaben und diesmal spüren wir deutlich, dass am Check In die Routine für die Mitnahme unverpackter Tourenräder noch im Entwicklungsstadium ist. Der Sperrgepäckschalter packt noch einen oben drauf (wieder ganz anders als bei meinen bisherigen Erfahrungen). So muss das für die Wartezeit am Gate vorgesehene „Wir-stoßen-auf-die-Reise-an-Bierchen“ von Hamburg nach Edinburgh verschoben werden.

In Edinburgh nehmen wir unsere Räder in einwandfreiem Zustand in Empfang (lediglich die Kette war bei meinem Rad abgeworfen) und so starten wir vom Flughafen mit den Rädern in das Zentrum. Unser Hotel am Haymarket könnten wir auch direkt mit der Straßenbahn erreichen, aber wo bleibt da der Radlerstolz…?

Esther von unseren schottischen Partnern hatte uns empfohlen, am Union Canal entlang in die Stadt zu fahren. Den finden wir auch tatsächlich recht schnell und gelangen so vom Verkehr völlig unbehelligt in das Stadtzentrum. Vom Kanal zu unserem Hotel am Haymarket ist es dann nur noch ein Katzensprung. Gegen 21:00h beziehen wir unser Zimmer und langsam knurrt der Magen. Zum Glück gibt es im Pub nebenan noch etwas zu Essen und mit einem (oder waren es zwei?) Pint leckeren Ales stoßen wir jetzt endlich auf unsere Tour an.

Km: 18

2. Tag Edinburgh - Lockerbie

Schottlands Hauptstadt zeigt sich am Morgen verregnet. So richtig viel Lust auf einen Stadtbummel will da nicht aufkommen und so beschließen wir, uns nach einem Abstecher zum Castle direkt auf den Weg zu machen. Unser Plan (wieder ein Tipp von Esther):  Mit der Bahn eine knappe Stunde nach Galashiels zu fahren und so dem Verkehrsgetümmel der Edinburgher Peripherie zu entgehen. Die Züge verkehren nahezu stündlich und die Mitnahme der Räder erweist sich als unkompliziert (was anders aussehen kann, wenn noch mehr Radler mitmöchten, da die Stellplätze knapp sind).

In Galashiels noch kurz kleine Vorräte für den Tag eingekauft und los. Tatschlich sind wir schon sehr bald auf ruhigen Nebenstrecken unterwegs und rollen uns langsam ein. Der Regen begleitet uns noch ein Stückchen, verabschiedet sich aber nach einer guten Stunde. Wer denn nunb glaubt, dass die Lowlands immer low sind, sieht sich alsbald eines Besseren belehrt. Tatsächlich geht es ziemlich wellig daher, eigentlich nie flach, aber in Summe auch für uns Flachland-Nordlichter gut zu meistern.

Ein gutes Stück rollen wir am Ettrick River entlang, der bei Anglern sehr beliebt ist. Eine etwas schräg wirkende Sehenswürdigkeit ist das Tibetanisch-Buddhistische Kagyu Same Ling - Kloster bei Eskdalemuir. Die bunten Tempel sind hier in den Lowlands ein ungewohnter Kontrast.

Am frühen Abend erreichen wir Lockerbie, ein Quartier ist schnell gefunden und der hungrige Radlermagen kommt ebenfalls nicht zu kurz. Und möglicherweise fließt auch das ein oder andere Ale. Man muss ja auch den lokalen Brauerei-Geschmack einmal antesten. 

Km: 81        741m ↑   772m ↓
 

3. Tag Lockerbie - Newton Stewart

Lockerbie, tja Lockerbie…, da war doch was. Traurige Berühmtheit erfuhr die schottische Kleinstadt durch den Sprengstoffanschlag auf den Pan Am-Flug 103 am 21. Dezember 1988 auf dem Weg von London nach New York. Damals starben alle 259 Insassen sowie 11 Einwohner der Stadt. Auf dem Friedhof befindet sich der Garden of Remembrance (Garten der Erinnerung), dem wir einen Besuch abstatten.

Ein kleiner Navigationsfehler meinerseits beschert uns kurz darauf eine unerwartete Trialstrecke, die sich selbst zwar kraft Ausschilderung als Radweg bezeichnet, aber schon bald als unwegsame Mischung aus Schlamm-, Gras- und Geröllpiste entpuppt. Schlitternd, schleichend, schiebend und leise fluchend haben wir dann irgendwann wieder festen Asphalt unter den Rädern. Aaaahhh, und alsbald mischt sich tiefe Dankbarkeit mit Begeisterung für diese praktische Form der Bodenversiegelung.

Fortan sind wir wieder auf so ruhigen Straßen unterwegs, dass wir schon fast überrascht sind, wenn dann doch mal ein Auto kommt. Wir sind schon regelrecht verkehrsentwöhnt. Schlau wäre es auch, sich am Beginn der Tagestour mit Ess- und Trinkbarem einzudecken. Unterwegs ist es nämlich so einsam, dass kaum mal ein Cafe oder Pub auf dem Weg liegt. Unglücklicherweise waren beim Start wir nicht so clever und nagen jetzt kollektiv auf dem von gestern übrig gebliebenen Apfel und etwas mitgenommen aussehenden Keksen.

Die Erlösung erscheint in Form eines Cream Teas im Städtchen New Galloway. Mit derart reichlich Kalorien gestärkt durchqueren wir nun den Galloway Forest Park. Zu erwähnen, dass dieser wunderschöne Aus- und Anblicke bietet ist zwar korrekt, wird den vorherigen Strecken jedoch nicht ganz gerecht, die da ohne Titel auskommen müssen und ebenfalls großartig sind.

Das Tagesziel ist das Kleinstädtchen Newton Stewart (südlich von Glasgow und Edinburgh gibt es in den Lowlands praktisch keine größeren Städte mehr). Ein Besuch im Pub klärt dann auch gleich die Unterkunft für die Nacht und das leibliche Wohl kommt auch nicht zu kurz (inklusive Verprobung der lokalen Brauerei-Köstlichkeiten).

Ein kleines Video, von einem Teilabschnitt des heutigen Tages, finden Sie auf unseren YouTube Kanal*

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Km: 99        968m ↑  1034m ↓
 

4. Tag Newton Stewart - Mull of Galloway

Heute geht es auf den letzen Teil unserer Transitstrecke. Das Tagesziel Mull of Galloway ist der Startpunkt unserer Tour „South Coast 200“. Damit nun auch die Kultur auf Ihre Kosten kommt, steuern wir als erstes die Ruinen von Glenluce Abbey an. Die 1190 gegründete Abtei verfiel, wie so viele andere Klöster, schon bald nach der Reformation durch Heinrich VIII. Der letzte Mönch starb hier 1610.  Ich mag die Atmosphäre dieser Ruinen und heute haben wir das Glück, keinen Eintritt zahlen zu müssen.

Hinter Glenluce erreichen wir die Halbinsel Rhin of Galloway, deren südlichsten Zipfel wir heute noch erreichen wollen. Da wir uns die Küstenstrecke für den Rückweg aufbewahren wollen, nehmen wir heute die Strecke „mitten durch“. Herrliches Farmland, kleinste Nebenstraßen aber - holla - auch ein saftiges Auf und Ab. Zwischen Ardwell und Port Logan, wo wir immer mal wieder die Irische See berühren, erreichen wir den Logan Botanic Garden. Hier gibt es nicht nur eine Vielzahl tropischer Pflanzen zu entdecken, sondern auch ein ganz ausgezeichnetes Cafe. Bei Kuchen und Tee bekommen wir von der freundlichen Bedienung eine Empfehlung für ein B&B nahe unseres Tageszieles. Kurzerhand ruft Sie bei Gastgeberin Diane an und meldet uns für den Abend an. Prima! Das wäre also auch geregelt.
 
Schließlich erreichen wir den Leuchtturm von Mull of Galloway, den südlichsten Zipfel Schottlands. Für eine Besichtigung sind wir etwas spät, aber die Außenansicht und die Lage sind einfach wieder mal großartig!

Nun müssen wir wieder ein paar Kilometer zurück zu unserem Quartier. Übrigens haben Weidetiere in Schottland und England oft viel Platz und leben oft nicht auf eng umzäunten Weiden. Die Areale sind stattdessen großzügig abgesteckt und die ansonsten offenen Straßen sind mit Cattle Grids (Viehgittern) versehen. Man gewöhnt sich also an die lieben Tierchen auf und an der Straße. Als dann aber auf dem Rückweg vom Lighthouse ein ausgesprochen muskulöser Bulle unmittelbar an der schmalen einspurigen Straße steht, wird mir doch etwas blümerant zu mute. Aber es hilft ja nichts: Augen zu und durch. Wäre zu gern für ein Foto stehengeblieben, aber das hätte das Kraftpaket dann wohlmöglich als aufdringlich empfunden. Und Unmutsbekundungen seinerseits wollte ich lieber nicht entgegennehmen müssen.

Unser schönes B&B liegt in paar Kilometer vom nächsten Ort (Nahrungsquelle) entfernt. Eigentlich nicht weiter schlimm. Aber es geht dorthin ordentlich bergab und wir müssten dementsprechend hinterher auch wieder hoch. Freundlicherweise fährt uns Dianes Mann John runter nach Drummore und holt uns auch später wieder ab. Der Ort hat seine Glanzzeiten scheinbar bereits hinter sich gelassen und befindet sich irgendwo zwischen verschlafen und vergessen. Ebenso geht es dem Hotel „The Kings Arms“, wo nur noch das Restaurant in Betrieb ist. Egal, das rustikal-einfache Essen schmeckt und das Ale auch.

Km: 94        886m ↑  875m ↓
 

5. Tag Mull of Galloway - Wigtown

Das reichhaltige Frühstück bei Diane und John endet in einem sehr netten und längeren Schwatz mit der Tischnachbarin auch England, die öfter zum Wandern hier oben ist und heute Ihren Bruder aus Australien erwartet. Der anstehende Brexit liefert steht’s genug Stoff. Kai und ich machen uns auf den Weg und sind nun auf unserer „Erkundungsreise“ der SC200. Zunächst folgen wir der Küstenlinie der Rhin of Galloway, die zwar weitgehend flach an der Irischen See verläuft, dafür aber auch etwas verkehrsreicher ist als die Nebenstrecken der letzten Tage. Aber immer noch alles im angenehmen Bereich.

Zunächst führt uns der Weg zurück nach Glenluce. Bad darauf folgen wir wieder kleinsten Nebenstraßen mit wundervollen Ausblicken um dann bald direkt am Meer entlang zu rollen. In Port William genießen wir den Blick auf’s Meer und Tee mit Sandwiches. Im Süden der Machars-Halbinsel erreichen wir Isle of Whithorn, was entgegen des Namens keine Insel sondern lediglich ein kleines Hafenstädtchen ist. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass es früher eine Insel war und erst im 18.Jahrhundert mit dem Festland verbunden wurde.

Mit etwas Abstand zur Küste - und immer wieder fantastischen Ausblicken - erreichen wir schließlich Wigtown, Schottlands erste offizielle Buchstadt. Tatsächlich befinden sich in dem beschaulichen Örtchen viele kleine Buchläden. Jährlich findet hier auch ein Buchfestival statt.

Auch hier ist ein Quartier schnell ausgemacht und wir wärmen uns zunächst am Kamin ein wenig auf. Der Tag war zwar sonnig, aber der recht stramme Wind zum Abend hin auch kühl.

Km: 101        641m ↑  704m ↓
 

6. Tag Wigtown - Kirkcudbright

Wieder treffen wir zunächst auf eine alte Bekannte: zur nächsten Halbinsel kommen wir wieder durch Newton Stewart. Auch hier paar Proviant-Einkäufe und weiter geht’s. Heute radeln wir ein gutes Stück auf einer ehemaligen Bahntrasse. Über eine recht plötzlich auftauchende und richtig fiese Rampe erklimmen wir den Anfang der Trasse, die dann fortan leicht erhöht durch die Landschaft führt. Auch diese Bahnlinie fiel in den 60iger Jahren dem Rotstift zum Opfer. Aber wenigstens profitieren Radfahrer und Wanderer heute von der abgelegenen Nebenstrecke.  

Über Creetown erreichen wir das bezaubernde Örtchen Gatehouse of Fleet. Für den Rest des Tages stärken wir uns hier mit Sandwich und Keksen, dösen etwas in der Sonne und machen uns wieder auf den Weg nach Kirkudbright. Das hübsche Städtchen wird vom kleinen Hafen und der Burgruine geprägt. Wie so oft in Schottland und England wirkt auch hier alles so, wie es wohl auch vor 200 Jahren gewesen sein mag. Denkt man sich die Autos weg…

Hier treffen wir am Abend Esther und Ihren Mann Warren, die sich die SC 200-Tour ausgedacht haben. Wir stimmen ein paar Details ab, hören ein paar spannende Geschichten aus dem Leben in den Lowlands und freuen uns nach den Schilderungen schon auf die weitere Tour.

Km: 58        519m ↑  565m ↓
 

7. Tag Kirkcudbright - Annan

Kurz nach dem Start in Kirkcudbright öffnet der Himmel seine Schleusen. Die nächsten Stunden gibt es dann Regen für Fortgeschrittene und wir sind schon der einhelligen Meinung, uns in der nächsten Stadt, in Dumfries, ein Quartier suchen zu wollen. Während wir dort bei einer Suppe und Sandwiches trocknen, klart der Himmel auf und die Entscheidung weiterzufahren ist schnell gefällt.
Vorher schlendern wir noch ein wenig durch Dumfries. Die größte Stadt im Süden Schottlands trumpft mit Ihrer Lage am River With und einem historischen Zentrum auf. Der berühmte schottische Schriftsteller Robert Burns lebte hier und wird durch ein Museum geehrt.

Wie gut, dass wir uns zum Weiterfahren entschieden haben! Schönstes Wetter führt uns durch weitgehend flaches Geläuf mal an die Küste, mal durch ruhiges Farmland. Ein wunderbarer Stop erwartet uns am Caerlaverock Castle. Die gut erhaltene Burgruine aus dem 13. Jahrhundert ist die einzige dreieckige Wasserburg Schottlands. Der Nachmittag ist eine einzige Genusstour!

Gestärkt mit Kuchen und Kaffee erreichen wir den Solway Firth und kurz darauf Annan am gleichnamigen Fluss. Das Marktstädtchen ist unser heutiges Tagesziel und im traditionsreichen Queensberry Arms Hotel finden wir eine Bleibe.

Bald schon ist die SC 200 geschafft, die morgen im nahen Gretna Green endet. Wir sind schon sehr gespannt!

Km: 81        514m ↑  515m ↓
 

8. Tag Annan - Gretna Green

Das Frühstück im Queensberry ist nur eingeschränkt königlich und so machen wir uns bald auf den Weg. Die letzte schottische Etappe liegt vor uns und es sind kaum 15 Kilometer nach Gretna Green.

Der Ort zur nahe gelegenen englischen Grenze erlangte Berühmtheit, weil der Schmied hier minderjährige Paare trauen konnte, denen in England die Zustimmung ihrer Eltern verweigert wurde. Über 200 Jahre wurde dies hier so praktiziert. Noch heute kann man sich hier trauen lassen und ganze Gruppen von Besuchern kommen schon am frühen Vormittag an.

Für uns geht hier eine wunderbare Tour durch den Süden Schottlands zu Ende. Völlig zu Unrecht lassen viele diese Region auf dem Weg in die Highlands „links liegen“, finden wir. Die herrlich ruhigen Nebenstrecken, das immer wieder auftauchende Meer, kleine verschlafene Ortschaften und eine großartige Landschaft haben uns überzeugt und begeistert. Es gibt noch viel zu entdecken, wir kommen wieder!

Km: 15        m ↑  m ↓