Mit dem Motorrad durch Wales
Eine neue Tour bricht an. Zu Corona-Zeiten möchte ich herausfinden, wie sich in Großbritannien – in diesem Fall Wales – das Reisen gestaltet. Wie schon im Juni für das Baltikum, habe ich wieder das Motorrad gesattelt und bin dann mal los.
von Carsten Okkens (August 2020)
Tag 1: Hamburg - Rotterdam
Die über 500 Kilometer lange Fahrt zum Fährhafen Rotterdam/Europoort ist erwartungsgemäß strunzlangweilig. Glück gehabt, nur zwei Staus. Als ich auf die P&O-Fähre „Pride of Hull“ rolle, sehen die Ladedecks relativ leer aus. Es ist halt noch immer nicht viel los. Und schwupp! Nach dem Festzurren des Motorrades (macht man hier selbst) kommt von einem Crew-Mitglied auch schon der erste freundliche Hinweis, dass ich eine Maske tragen soll. Hatte ich im Getümmel glatt vergessen. Hier an Bord ist tatsächlich alles sehr sorgfältig auf Corona eingerichtet: Abstandsregeln, Richtungshinweise auf Treppen und in Wartebereichen, Plexiglasscheiben an den Bars, im Restaurant fest zugewiesene Tische und Service am ebenfalls durch Plexiglasscheiben geschütztem Buffet. Und nicht zu vergessen: Maskenpflicht im Innenbereich, solange man nicht sitzt. Bereiche, in denen sich diese Bedingungen nicht umsetzen lassen, sind gesperrt.
Dieses Schiff ist für mich den ganzen Abend ein undurchschaubares Labyrinth. Ständig stehe ich in irgendeiner Sackgasse. Dann geh’ ich jetzt eben ins Bett. Morgen legt die Fähre früh in Hull an. Gute Nacht!
Tag 2: Von Hull nach Wales
Für die Einreise nach Großbritannien muss im Moment zwingend ein Online-Formular ausgefüllt werden. Über Lautsprecheransage wird an Bord verschiedentlich daran erinnert und auch Hilfe angeboten. Ich habe das schon vorher gemacht und das Pdf auf dem Mobiltelefon dabei. Ein kurzes Vorzeigen bei der Passkontrolle genügt und schon rolle ich auf englischen Straßen nach Westen. Mein Plan ist, gleich nach Wales durchzurauschen. Leeds, Manchester, Birmingham, bleibt alles rechts liegen. Und tatsächlich rolle ich schon kurz nach 11 Uhr über die englisch-walisische Grenze.
Llandudno ist mein erstes Ziel. Der elegante viktorianische Badeort liegt mit seinem weiten Sandstrand malerisch zwischen den Bergen Little Orm und Great Orm. Beeindruckend ist die über 300 Meter lange, viktorianische Seebrücke, deren Fülle aber auch. Da drehe ich trotz Laufrichtungsvorgaben doch besser bei. Überall im Ort sind Abstandshinweise zu sehen.
Der gut 230 Meter hohe Great Orm lässt sich gegen eine kleine Gebühr befahren. Gesehen, getan! Zwischen Meer und Berg schlängelt sich die Straße mit fantastischem Ausblick nach oben. Auf der anderen Seite geht es nicht weniger spektakulär wieder herunter. Oben lockt ein kleines Café mit Erfrischungen. Auch tapfere Radler und Wanderer sind hier zu treffen.
Das bezaubernde Conwy lasse ich heute rechts liegen und fahre stattdessen auf die Insel Anglesey, die für viele die Verbindung nach Irland ist. Hier starten Holyhead die Fähren nach Dublin. Ich aber biege gleich hinter der Brücke ab und möchte Bryn Celli Dudu besuchen. Das gut 5.000 Jahre alte prähistorische Ganggrab liegt frei zugänglich etwas abseits auf Farmland – kleine Wanderung also inklusive. Schon damals wussten die Erbauer um die Mittsommernachtswende, denn dann scheint morgens die Sonne so in die Grabkammer, dass sie hell ausgeleuchtet wird.
Grundgütiger! Wo ist denn nun wieder die Zeit geblieben? Langsam sollte ich mich zu meinem Quartier aufmachen, das noch gut 80 Kilometer entfernt im Landesinneren liegt. Auf der Fahrt streife ich den Snowdonia-Nationalpark und mir bleibt ob der Aussicht mehrfach die Spucke weg. Gleichzeitig ist das Fahren auf den kurvenreichen Straßen Spaß im Höchstmaß. Vor Begeisterung leicht benebelt erreiche ich das kleine Städtchen Bala und mein Quartier. Im Stadtzentrum scheint kein Gebäude zu stehen, dass jünger als 200 Jahre ist. Sehr gemütlich. Das ist für die nächsten zwei Tage mein Basisquartier.
Im Hotel ist alles sehr strikt auf Corona ausgerichtet. Limitierter Zugang zum Restaurant/Pub, Laufrichtungen, sogar das Bestellen von Getränken und Speisen und eines Tisches geht über eine App. Zum Glück für mich Technik-Deppen gab es aber auch eine altmodische manuelle Lösung.
Tag 3: Warum Freddie mir auf die Hose machte und Danny meinen Tisch besetzte
Frühstück! Strikt nach Corona-Anweisung erscheine ich zu meinem gewählten Zeitfenster. Jeder wird einzeln zu seinem Tisch gebracht. Alle Speisen auch, nicht mal ein Cerealien-Buffet gibt es.
Der Plan heute: Den Nordwesten von Wales durchstreifen einschließlich der Halbinsel Llyn. Die direkt vor der Haustür startende Nebenstraße ist ein Traum, links und rechts von Hügeln und Bergen flankiert erreiche ich mein erstes Ziel: Blaenau Ffestiniog. Der gesamte Ort ist vom seit Mitte des 19. Jahrhunderts vom Schieferabbau geprägt. Mancher Berg entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als Abraumhalde. In der immer noch aktiven Llechweed Slate Mine werden Führungen angeboten. Die Fahrten der historischen Schmalspurbahn der Ffestiniog Railway zum Hafen von Porthmadog sind wegen Corona auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Hier ist wirklich alles aus Schiefer. Falls Ihr mal solide Möbel für den Garten braucht…? Nur der Versand könnte etwas aufwändig sein.
Ein nächster Zwischenstopp führt nach Beddgelert. Der hübsche kleine Ort ist Ausgangsquartier für viele Bergwanderer, denn der Lieblingsberg der Waliser, der über 1.000 Meter hohe Mount Snowdon liegt vor der Haustür. Er kann von mehreren Seiten erklommen werden. Auch mit einer historischen – mit Schweizer Technik 1896 erbauten – Zahnradbahn kann man sich dem Gipfel nähern. Im Sommer sind die schmalen Straßen solcher Orte mit dem Autoverkehr immer ein wenig überfordert, die Parkplatzsuche sportlich. Aber solche Sorgen habe ich ja nicht.
Vom Mount Snowdon rechts flankiert geht es weiter nach Norden an die Küste. In Caernarfon, an der Menal Strait zwischen dem Festland und der Insel Anglesey bewacht sein 1283 eine der imposantesten Burgen Großbritanniens die Durchfahrt. Architektur und Zustand sind einzigartig und die Größe überwältigend. Die hübsche Altstadt von Caernarfon lässt sich prima erbummeln.
Carnarfon ist mein Sprungbrett auf die Halbinsel Llyn, die sich weit in die Irische See vorstreckt. In Llithfaen zweigt der Weg rechts nach Nant Gwrtheyrn ab. Erst rauf und dann runter an die Küste. Hier im Dorf Port Nant eine Quarry betrieben, ein Steinbruch. Das Dorf selbst ist teilweise eine Ruine, aber ein Besucherzentrum macht alles sehr anschaulich. In den einst fortschrittlich erbauten Unterkünfte für die Quarrymen und ihre Familien kann man sich heute einmieten. Komfortable Cottages und B&B stehen im Angebot. Und Walisisch kann man hier auch in Kursen lernen.
Am Südzipfel der Llyn-Halbinsel liegt der weite Sandstrand von Aberdaron. Ein hübscher kleiner Ort und ich entere ein Cafe mit Terrasse zum Meer. Aber halt! Wie in einer Kinokasse sitzt eine ältere Dame im Eingang und prüft an einem iPad-Tablet, ob und welcher Tisch denn für mich frei sein könnte. Bestellen könnte ich auch per App, bevorzuge aber den risikoreichen klassischen Weg. Tisch 19, ganz hinten rechts, ok! Tisch 17, 18... Tisch 19 ist nicht zu sehen. Ich schwatze darüber mit einen Paar, Danny und Paula. Sie sind ebenfalls mit dem Motorrad da und leben im Lake Distrikt. Als begeisterte Surfer sind sie öfter mit Ihrem Wohnmobil und dem Motorrad im Schlepptau hier. Und klar, Danny war auch schon in Hamburg. Mit einem Freund zur Bachelors-Night. So heißt wohl der Junggesellenabschied…
Als mir Tee und Brownie gebracht werden löste sich das Rätsel der verschwundenen Tisches: Danny und Paula haben ihn besetzt und die Nummer war dadurch verdeckt. Sie hatten sich durch den eigentlichen Ausgang auf die Terrasse gemogelt. Jetzt aber flott rein und Namen und Telefonnummer abgeben. Muss wegen Corona sein. Da ich sie natürlich nicht verscheuchen will, rücken wir ein wenig corona-gerecht zusammen und plaudern noch eine Weile.
Auf der Südseite der Halbinsel mache ich mich immer Küstennah auf den Rückweg nach Bala. Über Porthmadog (sehr hübsch, hier stehen die historischen Lokomotiven und Waggons der Ffestiniog Railway und der Welsh Highland Railway) geht es nach Harlech, wo ich kurz an der Burg stoppe, ein paar Fotos und gut. Von unten vielleicht besser? Holla! Die schmale Straße geht mit 25% und engsten Kehren nach unten. Will ich da wieder hoch? Von unten ist der Anblick nicht besser und zum Glück muss ich nicht wieder rauf. Noch ein paar Kilometer an der Küste (Ausblicke!!!) und dann landeinwärts nach Bala. Kurz noch am Bala Lake gestoppt und schwupp, bin ich nach gut 240 Kilometern wieder im Quartier.
Freddie? Ach, ja! Freddie traf ich ganz am Anfang des Tages. Er ist ein Beagle und gerade mal fünf Monate alt. Bei unserer Begegnung war er „very excited“ und ließ seiner Freude freien Lauf. Zum Glück ging nicht so viel auf’s Hosenbein. Ich hätte Freddie am liebsten mitgenommen :-), doch Frauchen und Herrchen wollten ihn behalten. Sie gewöhnen ihn gerade in Kurzetappen an das Wohnmobil und fahren heute wieder nach Hause.
Tag 4: Wann Freizeitkapitäne schwindelfrei sein sollten
Dieses Frühstück! Ich sollte mich zurücknehmen, aber „full Welsh“ bestellt sich auch so einfach. Ist eigentlich so wie full English, full Irish, full Scottish. Man sollte auf einer UK-/Irland-Rundreise nur nicht bei der Order durcheinanderkommen, wenn man es sich nicht mit seinen Gastgebern verscherzen will. Jedenfalls werde ich mir die Kalorien- und Cholesterin-Bomben aus Wurst, Black Pudding, Rührei, Tomaten und Pilzen wohl wieder abarbeiten müssen. Später …
Heute möchte ich nach Llangollen, da hier in der Umgebung einige architektonische Highlights zu sehen sind. Sensationelle Landschaft gibt’s ja sowieso unterwegs immer obendrauf. In meinem Quartier erzählte mir der ebenfalls Motorradfahrende Paul, dass ich auf dem Weg unbedingt am Llyn Efyrnwy vorbeifahren sollte, schon die Strecke zum See sei herrlich. Tatsächlich beginnt die Route geht gleich an meinem Basisquartier Bala, fast einspurig und erstmal durch den Wald, bevor sich die Landschaft wieder mit eindrucksvollen Bergblick öffnet. Da hinten in der Höhe ein kleiner Pass, hier ein rauschender Bach, die Straße schmal und leer..., Paul hatte nicht zuviel versprochen. Das Highlight des Sees ist der ab 1881 entstandene Staudamm. Nach 10-jähriger Bauzeit wurde und wird von hier aus Liverpool mit Trinkwasser versorgt.
Weiter fahre ich durch das Tal des Ceiriog. Vorher probiere ich in Llanarmon Dyffryn Ceiriog noch Welsh Cakes, eine Art Scones in Keksform. Mit gesalzener Butter und dazu eine Kanne Tee, mmh, lecker! Die Tour durch das Tal ist tatsächlich wunderbar und bringt mich schnurstracks zu meinem ersten Technikziel: Die Chirk-Aquädukts. Der erste Aquädukt entstand 1801 für den (heutigen) Llangollen-Kanal und überquert den Ceiriog, der hier in einer tiefen Schlucht verläuft. Gut 40 Jahre später entstand direkt daneben, etwas höher, ein zweiter Aquädukt für die Eisenbahn. Beide sind heute noch in Benutzung, der Kanal aber nur noch für Freizeitkapitäne in ihren schmalen Narrowboats. Beim Überqueren überschreitet man auch gleich die Grenze von England nach Wales oder umgekehrt. In Wales angekommen verschwindet der Kanal sofort wieder im gut 450 Meter langen Chirk-Tunnel.
Das nahe Chirk-Castle hätte ich gerne besichtigt. Zu Corona-Zeiten funktioniert dies aber nur mit vorheriger Online-Anmeldung. Damit werden die Zugangszahlen kontrolliert und limitiert. Spontanbesuche fallen da leider aus, so auch meiner.
Das nächste Ziel ist gar nicht so weit entfernt, aber etwas tricky zu finden. Die Mobiltechnik befragt, etwas Glück und schon habe ich den Pontcysyllte-Aquädukt erreicht. Der Shropshire Union Kanal quert hier in gut 40 Meter Höhe den River Dee. Anders als bei Chirk hat die Kanalwanne auf der einen Seite keinen Kragen, man blickt also bei der Durchfahrt stehend von seinem Narrowboat in den Abgrund, die Füße etwa auf Höhe des Wannenrandes. Auf der anderen Seite ist der alte Treidelpfad, der heute – natürlich mit Geländer – von Besuchern genutzt wird. Durch den auf der anderen Seite fehlenden „Kragen“ schlagen mir meine Synapsen dann auch gleich ein Schnäppchen. Obwohl ich ja das Geländer habe und dann vor dem Abgrund erst noch die Kanalwanne kommt, wird mir doch ziemlich blümerant. Ich muss das Geländer als Halt suchen und traue mich kaum bis zur Hälfte des Aquädukts. Hier treffe ich auch gleich zwei Boote wieder, die ich auch schon bei Chirk gesehen hatte. Nun aber wieder zu festem Boden...
Gleich hinter der Abgrundüberquerung müssen die Freizeitkapitäne eine 45-Grad-Kurve fahren, unter einer Brücke durch. Bei dem regen Verkehr gibt es da schon mal den ein oder anderen Stau, zumal der Gegenverkehr beachtet werden muss. Und nicht alle sind beim Lenken gleich geschickt …
In Llangollen bestaune ich von der 600 Jahre alten Dee-Brücke aus das reißende Treiben des River Dee. Hier kann man wunderbar auf Cafeterassen sitzen und auf den Fluss blicken.
Jetzt soll weiter Streckenkunde erfolgen. Es geht ja auch darum, für euch die schönsten Touren auf Nebenstrecken herauszufinden. Versuch und Irrtum sind immer mit im Spiel, diesmal leider viel Irrtum. Zu eng, kaum Aussicht wegen hoher Hecken, mieser Straßenbelag. Etwas frustig, aber eben auch eine (zeitfressende) Erkenntnis. Aber natürlich gibt es noch mehr genug schöne Strecken hier zu finden. So eine führt mich auch nach Betws-y-Coed. Der kleine Ort mit seinen urigen Steinhäusern ist ein beliebtes Zentrum für Wanderer im Snowdonia-Nationalpark. Schon zu Victorias Zeiten kam man hierher. Entsprechend wuselig geht es hier oft zu. Aber von der uralten Pont-y-Pair Brücke die Stromschnellen zu beobachten, ist großer Spaß. Zumal auf der anderen – ruhigeren – Seite Wagemutige von den Felsen in die dunkle Tiefe springen.
So, jetzt noch am frühen Abend einen kleinen Umweg eingeplant, nur des schönen Fahrens wegen, und zurück nach Bala. Herrlich!
Tag 5: Von Phantasie-Orten, Flutwarnungen und Kettenspray im Teashop
I’ll be with you in a moment, Darling! So morgens der Ruf der netten Dame, die das Frühstück bereitet und serviert. Sie weist aber jedem einzelnen Gast seinen Corona-bedingten Platz zu. Ich warte so lange und ein junger Mann kommt ebenfalls hinzu. Wir warten und vertreiben uns die Zeit mit einem Schwatz. Das führt dann gleich dazu, dass wir, nicht ganz Corona-Regelkonform, einen gemeinsamen Tisch zugewiesen bekommen. Natürlich werden wir gefragt, oben es uns recht sei. Es ist Alex ist Engländer aus Newcastle und mit dem Auto auf Reisen. Die Themenpalette reichte von CDs und Vinyl über das Reisen, die Eisenbahn und bis zum unvermeidlichen Brexit. Dieses Thema wühlt nach wie vor die Gemüter auf. Alex findet den Austritt höchst unsinnig und fürchtet um die Wirtschaft seines Landes. Wir sitzen natürlich viel länger als geplant und ich muss ja noch packen.
Zuallererst soll es heute nach Portmeirion an der Küste gehen. Ich finde es nicht schade, dass ich dafür zunächst wieder die traumhafte Strecke nach Ffestiniog nehmen muss. Damit könnte ich jeden Morgen beginnen. Portmeirion ist ein wahr gewordener Architektentraum. Sir Clough Williams-Ellis baute sich hier von 1925 bis 1927 sein Traumdorf im italienischen Renaissance-Stil, direkt an der Tremadog-Bay. Ein wenig Corona-Schlangestehen, 13 Pfund Eintritt und schon bin ich drin, in dieser Traumwelt. Man fühlt sich wirklich, als hätte man sich mal eben nach Italien gebeamt. Die mediterranen Pflanzen tun ihr Übriges zur Illusion. Und es ist so schön, dass Scotty mit dem zurückbeamen ruhig noch etwas warten kann. Wer möchte, kann hier sogar Urlaub in einem Hotel buchen oder eines der angebotenen Appartements nutzen. Ich kann nicht anders und setze mich auf die Terrasse des Restaurants um dabei den Blick über die Bucht zu genießen, die bei Ebbe mit weiten Sandbänken vor mir liegt.
Trotz aller Warnschilder geistert ein Ehepaar auf den weiten Sandbänken draußen herum. Die Flut ist schon im Auflaufen und die beiden sind von einer trockenen Rückkehr bereits abgeschnitten. Nun suchen Sie nach einem „Ausgang“ und entschwinden irgendwann meinen Blick. Sind sie etwas auf die kleine Insel dahinten zu? Um dann die komplette Flut dort abzuwarten? Oder gibt es hinten um die Landzunge eine Lösung?
Heute ist mein „Transittag“. Ich verlege mein Quartier weiter Richtung Süden, um dort weiter die Gegend zu erkunden. Die Fahrt geht zunächst nach Aberystwyth, direkt an der Küste. Universitätsstadt und beliebter Badeort zugleich, gibt es hier natürlich eine Promenade. Ein paar einfache Metalltische und -stühle (die, die bei Sonnenschein immer so fies blenden) signalisieren mir, dass ich hier einen Tee bekommen könnte. Und nicht nur das! Im Teashop realisiere ich, dass es auch ein kleiner Shop für Motorradzubehör ist. Wunderbar! Hier kann ich mir neues Kettenspray kaufen (richtig Auswahl!), denn meines ist gestern zur Neige gegangen. So kommt es, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben einen randvollen Teebecher, einen Pappteller mit Kuchen und eine Dose Kettenspray über die Straße balanciere. Am Nebentisch sitzt eine gut gelaunte Truppe Damen und der nächste Schwatz ist nicht weit. Der Tea-Motorrad-Shop-Besitzer kommt hinzu und schon bald stehen wir in seinem Laden vor einer Karte und er gibt mit Routentipps für die Weiterfahrt. Erst nach Devil’s Bridge und hinter dem Hotel musst Du dann gleich rechts …
Und tatsächlich, die Route ist der Hammer! Im frühen Abendlicht über einsames Geläuf und überwältigenden Ausblicken auf die Bergwelt. Cattlegrids signalisieren mir, dass ich mir die Straße mit freilaufenden Schafen und Rindern teilen muss. Die sind bei der Vorbeifahrt zwar meist unbeeindruckt, aber man weiß ja nie. Die anderthalbstündige Fahrt zu meinem neuen Quartier in Llandovery ist einfach nur berauschend schön!
Zimmer besetzt, frisch gemacht und mit einem Ale nach draußen gesetzt. Kein Tisch frei, aber da hinten sitzt nur ein einzelner Herr an der äußersten Kante eines längeren Tisches und ich frage, ob ich mich Corona-konform an die andere Ecke dazusetzen dürfe. Ich darf und eine anregende Plauderstunde geht ins Land. Chris arbeitet für die UN, ist nach längerem Afrika-Aufenthalt seit drei Jahren wieder in Wales und wohnt hier in der Stadt. Eigentlich hatten er und seine Frau in der Nähe eine Farm gekauft. Nun leben Sie in Scheidung und seine Frau hat jetzt die Farm. Viele Themen, am Ende Brexit, der Chris fassungslos macht. Bei mir keimt langsam Appetit auf. Der bestellte Burger ist eindeutig einer grausamen Übertötung zum Opfer gefallen, aber immer noch so wehrhaft, dass ich mit dem stumpfen Messer abglitsche und gleich mal meine Chips vom Teller fege. Morgen woanders essen?
Tag 6: Eiben können bluten und 16 Tonnen seit 5500 Jahren auf drei Spitzen ruhen
In meiner neuen Unterkunft kann sich jeder in eigener Regie an einen freien Tisch setzen, keine Corona-Anweisung, aber riesige Abstände der Tische. So auch abends im Pub-Grub (das ist ein Pub, in dem man auch Essen kann). An der Bar gibt es hinter Plexiglas nur eine Bedienung, sodass man schön Schlange stehen muss. Das erspart einem aber auch irgendwie den sonst üblichen Biertheken-Darwinismus, bei dem man sich immer durch die drängende Menge beim hin und her flitzenden Barkeeper Aufmerksamkeit verschaffen muss.
Heute mache ich mal einen Küstentag, denke ich mir. Meine erste Zwischenstation sollte die zu besichtigende Goldmine Dolaucothi sein. Schon die Römer förderten hier Gold. Als man davon in den 1920er-Jahren erfuhr, begann hier ein kleiner Goldrausch. Er versiegte aber schnell wieder. Ebenso wie mein Ansinnen der Besichtigung, denn die Mine ist wegen Covid-19 geschlossen.
Auf dem Weg zur Küste ein kleiner Stopp in Newcastle Emlyn. Hier gibt es eine Burgruine. Ist mehr Ruine als Burg, aber das Städtchen recht hübsch. Heute ist Samstag und es herrscht ein buntes Treiben. Für einen Kaffee müsste ich schlangestehen, habe dazu aber keine rechte Lust und weiter. In Aberareon erreiche ich die Küste. Was ich nicht so recht bedacht habe ist, das nun am Wochenende, in den Sommerferien und zu Covid-19-Zeiten hier alles proppenvoll ist und sogar mit einem Motorrad die Parkplatzsuche zu einer Herausforderung wird. Die Briten sind ja ebenfalls zuhause geblieben und entsprechend voll ist es am Meer. Kurzer Stopp am Wasser, viel zu weit weg vom Kern, keinen Nerv in den Motorradklamotten zu laufen, also weiter. Newquay! Hier vielleicht. Noch viel hübscher, der Ort windet sich mit seinen niedlichen bunten Häusern zum kleinen Hafen hinunter, aber alles noch viel schlimmer. Die einzige Parklücke übersehe ich und schwupp, ist sie auch besetzt. Die Bürgersteige sind zum unerlaubten (aber oft geduldeten) Abstellen zu schmal, dreimal im Kreis..., ja, jetzt könnt ich mich doch mal ... und weiter nach Süden Richtung St. David’s. Das liegt im äußersten Südwesten von Wales und soll doch so hübsch sein.
Stohopp!! Unterwegs weist ein Schild nach Never. Darüber hatte ich doch gelesen. In dem kleinen Ort steht eine gut 500 Jahre alte Kirche (Vorgängerbauten gab es seit ca. 1500 Jahren). Ein keltisches Hochkreuz und einen Ogham-Stein soll es hier geben. Ogham ist eine Art Runenschrift, die wohl aus Irland hierher kam. Kirche erreicht, Eingang zum Hof wegen Bauarbeiten geschlossen. Ja, wollt ich mich denn…!?! Ah, da hinten darf man aber auf’s Gelände. Das 1000 Jahre alte und 4 Meter hohe Hochkreuz ist schnell entdeckt und bewundert. Den Ogham-Stein finde ich nicht, er liegt wohl im abgesperrten Bereich beim Kirchenportal. Die Grabsteine stehen hier wunderbar krumm und schief. Als ältestes Sterbedatum kann ich auf einem halb versunkenen Stein das Jahr 1747 erkennen.
Ein junges Paar kommt hinzu. Sie ist aus Dorset und er Amerikaner. Sie sucht aber nicht das Hochkreuz sondern „The bleeding U“. Die was? Ah, the bleeding Yew. Ich lerne, dass Yew Eibe bedeutet. Und tatsächlich findet Sie die blutende Eibe. Hier steht eine kleine Allee aus sechs ca. 700 Jahre alten Eiben. Und nur die eine „blutet“ aus einer Schnittstelle, und zwar schon so lange, wie man zurückdenken kann. Der Saft ist tatsächlich rot! Natürlich gibt es reichlich Legenden dazu. Sie blutet aus Trauer über einen zu Unrecht gehenkten jungen Mann, oder bis ein neuer walisischer Prinz das Land rettet, oder, oder…
Im alten Hafenstädtchen Fishguard (dort legen Fähren nach Irland ab) öffnet der Himmel seine Schleusen. Schnell bei einem Supermarkt Unterschlupf gesucht und in die Regenklamotten gepuhlt. Die Regenhose in der Eile über die Stiefel zu bekommen, ist immer eine Freude. So, nun weiter nach Süden. Der Regen lässt inzwischen nach, droht aber mit Rückkehr. Als ich St. David’s erreiche, regnet es gerade nicht mehr und es ist – wie sollte es anders sein – voll. Voll! Nase auch voll. Verkehr wuschig, Parkplatz weit weg, in Regenklamotten laufen (die ziehe ich heute nicht mehr aus)? In langen Schlangen auf einen Kaffee hoffen? No way! Aber es stimmt, der Ort ist sehr reizvoll und die Kathedrale soll großartig sein. Ich komme wieder. Jetzt brauche ich irgendwas mit mehr Ruhe, also weiter, es ist ja auch die Umgebung der Küstenlandschaft, die so schön sein soll. White Sands! Das ist der Strand den Danny und Paula mir ans Herz gelegt hatten. Hier fahren sie immer zu Surfen hin. Und tatsächlich sind hier viele Surfer (Wellenreiter) zu sehen. Aber eher im Schulungsmodus, die Wellen sind nur kleine Dünungen. Und wer hätte es gedacht? Es ist voll, trotz des wechselhaften Wetters. Parken für 4 Pfund? Danke und tschüß! Ich will ja nicht surfen.
Lieber wieder ins Landesinnere. Die Preseli Mountains liegen nicht weit von der Küste und – aaaaahh - diese Ruhe! Von hier stammen die Blauen Steine aus dem Inneren von Stonehenge. Es ist noch immer ein Rätsel, wie die dicken Brocken über 200 Kilometer transportiert werden konnten. Auf kleinsten Nebenstrecken – man glaubt sich für immer verloren – gelange ich zu meinem nächsten Ziel: Pentre Ifan Burial Chamber. Einen eindrucksvolleren Dolmen habe ich selten gesehen! Der schlanke Deckstein liegt mit seinen geschätzten 16 Tonnen Gewicht seit über 5.500 Jahren auf drei senkrecht stehenden Tragsteinen. Ein vierter Stein steht ebenfalls dort, berührt aber den Deckstein nicht. So ruht das ganze Gewicht seit Jahrtausenden auf 3 Spitzen. Und das alles in völliger Einsamkeit. Nur Schafe …
Die Regensachen anzubehalten war eine gute Entscheidung. Es gibt auf der Weiterfahrt alle Facetten von Regen. Aber nun macht das nichts mehr und die Strecken waren heute den ganzen Tag über wundervoll. Nur die Aussicht wollte ob des trüben Wetters nicht immer so mitspielen, einmal fuhr ich in den Bergen sogar im dichten Nebel. Aber hey, wir sind in Wales! Da soll das schon mal vorkommen.
Am Abend im Quartier sitzt am Tisch hinter mir ein älterer, aber fit aussehender Herr, der lautstark auf seinem Tablet Fußball sieht. Manchester gegen Nottingham? Man hört ihm den Spielverlauf deutlich an. Oh, noooo!! Yes, yes!!! Dass ich aus Hamburg komme, schickt er gleich seinen Kumpels, die anderswo mit ihm schauen. Nottingham hat wohl mal in einer Meisterschaft gegen den HSV gewonnen. Vor 40 Jahren oder so.
Nach dem Spiel, als ich auf’s Zimmer wollte, entsteht noch eine wunderbare Unterhaltung. Was für ein netter Kerl. Er ist über 356 Ecken mit den Gebrüdern Grimm verwandt. Patricks Vater war Ire und seine Mutter eine geborene Grimm aus Bernkastel-Kues. Er liebt alte Autos, hat wohl vier. Einen 1970 Porsche 911 in orange und vor der Tür steht ein MG, den er 1978 aus erster Hand gekauft hat. Sein erstes Auto… Ein netter Kerl! Lovely to meet you and good night!
Tag 7: Durch die Black Mountains zur Dunraven Bay
Heute mal ein Tag so ganz ohne Historie, also jedenfalls keine Menschengemachte. Mein Quartier in Llandovery liegt direkt am Brecon Beacons Nationalpark. Die gewählte Landstraße bietet wieder herrliche Ausblicke. Fans von Höhlen können einen Stopp in Dan-yr-Ogof einplanen. Ein kleiner Teil der Tropfsteinhöhlen lassen sich auf Führungen erkunden, der weitaus größere Rest bleibt den Profis vorbehalten.
Ein vielversprechender Stopp bei den Henrhyd Falls soll sein. Auf dem Parkplatz herrscht schon ordentlich Getümmel, es scheint also ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. Eine Familie schleppt sogar reichlich Picknick-Utensilien an. Eine kleine Herausforderung, denn es geht zunächst recht steil hinab, und der Boden ist durch den vorangegangen Regen recht rutschig. Dann eine ebenso rutschige Holztreppe wieder hoch und – puh - ist man da. Der wirklich schöne Wasserfall stürzt sich hier 27 Meter in die Tiefe und bildet mitten im Wald einen kleinen Teich. An ruhigeren Tagen (heute ist Sonntag) mag es fast mystisch wirken. Manche Besucher sind den Weg bis hinter den Wasserfall gegangen und betrachten von dort das Spektakel. Andere jagen ihre Hunde ins Wasser, die - mal mehr, mal weniger - begeistert Stöckchen apportieren. Und ach ja, ich muss ja auch wieder hoch. Nun denn…
Auf der Weiterfahrt zur Küste folgen nun großartige Passstraßen. Hey was für ein Spaß! Männer sind doch irgendwie Kinder … Mein Hauptziel ist Ogmore-by-Sea an der Dunraven Bay. Auf dem Parkplatz umgezogen und los auf dem Wales Coast Path. Hier kann man tatsächlich direkt an der Küste entlang wandern. Bei Ebbe lässt sich die Steilküste sogar von der weiten Sandbank betrachten, aber nun ist Flut. Aber auch so sind die Ausblicke großartig und ich genieße die Seeluft. Viele Angler sind auf den vorgelagerten Felsen zu sehen und bunt markierte Schafe halten das Gras kurz. Hier sollen sich auch viele Fossilien finden lassen. So um die 200 Millionen Jahre alt. Manche gehen entsprechend gebeugt unten auf den Felsen. Im Dunraven Info Center kann man mehr dazu erfahren. Aber ganz soweit komme ich nicht, ich muss ja auch noch zurück. Es fängt an zu Nieseln. Die Rückfahrt auf anderer Route findet dann meist im strömenden Regen statt. Trotzdem ist die Fahrt durch die Black Mountains großartig und die Passstraße schiebt mich sogar in die Wolken (dann als dichter Nebel wahrgenommen). Zweimal ist sogar die Straße geflutet. Den Regen haben die Regensachen bis jetzt tapfer abgehalten, die Duschen von unten dann aber weniger.
Fazit des Tages: Auch ohne klassische Sehenswürdigkeiten kann man einen wunderbaren Tag haben.
Tag 8: Schwarze Mönche und ziemlich ungewohnte Verkehrsteilnehmer
Abschied von Llandovery und auf die Grenzregion zwischen Wales und England. Eine Region die Jahrhunderte umkämpft war, ähnlich den Borders zwischen England und Schottland. Reichlich Burgen zeugen davon. Das schöne Wye Valley will ich besuchen und lande zuerst im hübschen Marktflecken Abergavenny. Die St.Mary-Church soll mittelalterliche Grabskulpturen beherbergen. Leider macht mir Covid-19 wieder einen Strich durch die Rechnung. Die Kirche ist zwar geöffnet, aber nur in bestimmten Bereichen. Die Sargdeckel sehe ich nur aus der Ferne. Stattdessen sind Bilder eines lokalen Malers – ein ehemaliger Lehrer – mit biblischen Motiven ausgestellt. Sowohl die Bildkompositionen als auch die Detailverliebtheit beeindrucken mich sehr. Ob das Kunst ist weiß ich nicht, aber ein Könner ist auf jeden Fall am Werk.
In Llanvihangel möchte ich dem ältesten Pub Wales’ einen Besuch abstatten, eine Tasse Tee wäre klasse. Leider habe ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht und das Skirred Mountain Inn ist noch geschlossen. Im mindestens 400 Jahre alten Pub tagte früher ein Gericht. Todesurteile wurden vom strengen Richter sofort im Haus vollstreckt. Ein noch heute hängender Strick soll darauf verweisen. Spuken soll es natürlich auch, wen wundert’s. Na gut, dann eben weiter. Gleich vor der Tür beginnt sich eine sehr schmale Straße durch die Landschaft zu schlängeln, eine waschechte single track road. Bei entgegenkommenden Autos muss sogar ich mit dem Motorrad ins Gebüsch. Wie sich Wohnmobile hierhin verirren können, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich nur aufs GPS geschielt. Zum Glück kam mir keines entgegen.
Dann erscheint rechts die Abtei-Ruine von Llanthony. Die Abtei wurde 1108 gegründet und bald darauf von den schwarzen Mönchen des Dominikanerordens übernommen. Wie wir alle wissen, sind die Klöster dann schlussendlich dem dringenden Scheidungswunsch von Heinrich dem VIII zum Opfer gefallen und spätestens 1538 war dann auch hier alles zu Ende. Ungewöhnlich ist, dass sich ein kleines Hotel in die Abteiruine schmiegt und auch Teile der Abtei miteinbezogen sind. Tolle Sache in der gefühlten Mitte von nirgendwo.
Weiter führt die Straße nun knapp unter dem 677 Meter hohen Hat Bluff vorbei. Die Aussicht auf die unten liegenden Felder- und Heckenlandschaft ist großartig. Etwas dumm aus der Wäsche schaue ich dann aber doch, als auf einmal ein Pferd vor mir auf der immer noch schmalen Straße steht. Es hat auch gleich drei seiner Freunde mitgebracht, die sich neben der Straße den Appetit stillen. An die frei laufenden Schafe hat man sich ja schon gewöhnt...
Hat-on-Wye ist mein nächster Stopp. Es ist Wales’ Bücherstadt überhaupt. Buchläden gibt es reichlich und auch viele Besucher. Das kleine historische Zentrum reiht sich um die alte Buttermarkthalle, markant ist der Uhrenturm. Und auch die Parkplatzsuche ist für viele eine Herausforderung. Alte Marktstädte sind nun mal nicht für den modernen Individualverkehr gemacht. Tatsächlich ist die Buchleidenschaft einem einzelnen Mann zuzuschreiben, Richard Booth. Er wurde sogar mit einem hohen Verdienstorden dafür ausgezeichnet.
Eine Überraschung war für mich das Dorf Eardisley, das ich auf einem Schlenker durch England durchfuhr. Lauter schwarz-weiße Fachwerkhäuser entlang der Hauptstraße. Tatschlich gehört es zu einem Black & White Trail, der durch solche Fachwerkdörfer führt. Sehr hübsch. Und wie gemütlich diese alten Häuser aussehen.
In Knighton möchte ich das Offa’s Dyke-Zentrum besuchen. Leider geschlossen - Covid-19… Offa’s Dyke ist ein Grenzwall aus angelsächsischer Zeit, der gegen die damals keltischen Waliser gezogen wurde. Heute kann man ihn auf über 200 Kilometern erwandern. Ein Wanderversuch wird mir vom einsetzenden Regen verleidet, bin nicht für Regenmärsche gewappnet.
Die letzte Stunde Regenfahrt führt dann nach Rhayader, meinem letzten Quartier in Wales. Trockenlegen, wieder herrichten, noch einmal Fish 'n Chips (hier sehr lecker) und fast Schluss. Morgen kommt dann noch eine längere Etappe zum Fährhafen in Hull.
Tag 9: Aufbruch nach Hull. Aber vorher noch eine Runde…
Meine Wales-Tour geht nun zu Ende und heute habe ich gut 370 Kilometer bis zur Fähre in Hull vor mir, und davon erstmal ein gutes Stück auf Landstraßen. Aber die Fähre geht ja erst am Abend und so klang es nur zu verlockend, als mein Gastgeber Paul mir noch eine Runde durch das Elan Valley an Herz legte. Ein letztes leckeres „Full Breakfast“ mit Rührei, Tomaten, Würstchen, Pilzen, Baked Beans … hmmm, sicher ungesund, aber lecker!
Die Tour beginnt praktisch vor der Haustür. Und wie! Verschiedene Stauseen versorgen hier u.a. Birmingham mit Trinkwasser. Der namensgebenden River Elan rauscht hier mit richtig Elan durch das Tal. Unterwegs wird mir langsam gewahr, dass es mit der Runde zeitlich etwas knapp werden könnte. Egal, Augen zu und durch! Und es ist auch tatsächlich zu schön! Über geschwungene Höhenrücken geht es mit sensationellen Ausblicken wieder runter ins bewaldete Tal und dann wieder so hoch, dass ich einem im Tal kreisenden Milan von oben zusehen kann. Über die bis zu 25% steilen „Devil’s Staircase“ komme ich nach gut 100 Kilometern wieder auf Kurs und schwinge mich dann bald auf tollsten Landstraßen von Wales nach England, bis … ja, bis der Regen kam. Also, das war nicht nur Regen, das war R-E-G-E-N! Die Regensachen kurz übergezogen, half aber auch nix mehr. Ich war im Nu durch bis auf die Haut. Von der Fahrerei in dieser Gischt ganz zu schweigen. Und es waren noch 250 Kilometer nach Hull. Zum Glück ließ der Regen nach einer knappen Stunde nach und aus quatschnass wurde während der Fahrt feucht-klamm. Einschiffung, trockenlegen und Ende. Ein wunderbarer Sonnenuntergang winkt von der englischen Küste zum Abschied.
Mein Fazit: Corona wird auf den Fähren und überall im Lande sehr ernst genommen, alles im öffentlichen Leben ist danach ausgerichtet und dennoch lässt es sich gut reisen. Man ist doch oft weit ab von allem, hat jede Menge Platz und kann sowohl Landschaft und Sehenswürdigkeiten genießen. Zum Zeitpunkt der Reise hatten noch nicht wieder alle Sehenswürdigkeiten geöffnet. Für die wieder geöffneten muss man sich in aller Regel bis 24 Stunden vorher online anmelden. Wales ist auf jeden Fall eine Reise wert. Mit oder ohne Covid-19…