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Reisebericht: Radreise Wild Atlantic Way

geschrieben von Carsten Okkens (2014)

Mit knapp 2.600 Kilometern zählt der Wild Atlantic Way (WAW) zu den längsten Küstenstraßen der Welt. Im April 2014 wurde der WAW als durchgehende Küstenstraße „offiziell eröffnet“, die Route mit entsprechenden Schildern versehen.
„Nichts wie hin!“ dachte sich unser Geschäftsführer Carsten Okkens, der „Radprofi“ im Team von Schnieder Reisen. Diese Strecke wollte er unbedingt per Rad bezwingen und dabei Reiseideen und Inspiration für neue Touren in unserem Programm sammeln. Lesen Sie hier, wie Wind und Wetter ihn nicht davon abhalten konnten, Irlands wilden Westen von Süden nach Norden zu erradeln!

1. Tag: Anreise

Am Flughafen bin ich vorsichtshalber zwei Stunden vor Abflug aufgetaucht, damit ich in Ruhe die Gebühren für das Rad bezahlen, den Check-in machen und das Rad am Sperrgepäckschalter abgeben kann. Alles geht reibungslos und so kann ich in aller Ruhe dem Abflug entgegen sehen. Im Flugzeug sitzt neben mir Willy Brandt mit seiner Frau. Ist natürlich ein Namensvetter, das Original wäre ja gespenstisch.
Der Flug vergeht so im Sauseschritt und Dublin empfängt uns mit trockenem Wetter und die Wolken lassen die Sonne ab und an durchblitzen. Beim Fliegen ist es ja immer so eine Sache ob auch das Fahrrad heil ankommt. Aber diesmal ist auch nicht der kleinste Kratzer zu entdecken. Wunderbar! Kurz aufgepumpt und das Gepäck aufgeladen und schon rolle ich in Richtung Zentrum.
Dort habe ich unterhalb der Christchurch das große Glück, kostenlos Zuschauer einer Opernaufführung im Freien zu werden (Opera in the open). Es gibt Rossinis "Der Barbier von Sevilla". Es sind sensationelle Künstler und macht mir richtig Spaß. Da bekommt man Appetit auf Oper. Anschließend sitze ich bei strahlendem Sonnenschein auf dem Rasen vor der Christchurch und genieße einen Kaffee und einen Scone.
Da ich die Christchurch – mit gut tausend Jahren immerhin die älteste Kirche Dublins – noch nie von innen angeschaut habe, investiere ich heute sechs Euro und hole das nach. Hübsch, ein wenig kühl und in der Krypta lockt eine Ausstellung mit den "Treasures of Christchurch". Neben Gold und Silber beeindrucken mich am meisten die Mumien einer Katze und einer Ratte. Die beiden hatten sich im 19.Jahrhundert wohl bei einer Verfolgungsjagd in einer Pfeife der Orgel verklemmt und wurden dort mumifiziert.
Um sechzehn Uhr fährt mein Zug nach Cork und ich mache mich auf zum Bahnhof Heuston-Station. Die zweieinhalb Stunden Bahnfahrt sind ereignislos (also gut) und mit der Zeit wird die Landschaft immer hügeliger. Cork empfängt mich regnerisch.
Ich mache mich auf den Weg nach Kinsale, biege aber falsch ab, lande in Carrigaline und beschließe, hier zu übernachten. Ich gebe zu, dass ich angesichts der Hügel teilweise gut ins Schwitzen kam. Der Westwind ist stramm und ich frage mich schon jetzt, ob mein Plan, den Wild Atlantic Way bis in den Norden Irlands nach Malin Head zu fahren, möglicherweise etwas zu optimistisch war. Ich hoffe, ich werde in den nächsten Tagen meinen Tritt finden ... wir werden sehen!

2. Tag: Carrigaline – Bantry

Um es gleich zu sagen: Ich bin platt! Aber der Reihe nach ...
Die heutige Strecke führt fast ausschließlich westwärts und es weht im Moment ein stattlicher West-Wind. Na gut, damit muss man in Irland rechnen. Der Wind kommt hier eben meistens von West. Seine Mitbringsel sind dann auch so lala ... immer mal wieder Regen, gern auch von der stärkeren Sorte (meine Unterkunft habe ich patschnass erreicht). Aber eben nicht ständig, nur ab und zu und immer wieder. Ich glaube, ich habe es nachher gar nicht mehr gemerkt.
Das Sahnehäubchen sind aber die vielen Hügel, die am Ende sogar kleine Berge wurden. So kommen auf den heutigen 137 Kilometern gut 1.500 Höhenmeter zusammen. Rauf und runter, denn ich bin ja nun wieder auf null. Es geht heute aber schon recht gut und ich bin nicht unzufrieden. Da das Wetter nicht soooo einladend ist, lege ich kaum Besichtigungen ein (die sind ja oft "outdoor" und mit kleinen Abstechern verbunden). Bis auf eine Teepause in Clonakilty und kleinen Stopps am Straßenrand bin ich also meist gefahren. Nur in Kinsale fahre ich den Abstecher zum Charleston-Fort: Eine Festung der Engländer aus dem 17. Jahrhundert, die aber während des Bürgerkrieges in den 1920er-Jahren niedergebrannt wurde (von der damaligen IRA). Eindrucksvoll ist sie dennoch, wie ich mich von meinem letzten Besuch im April dieses Jahres erinnere. Diesmal ist es allerdings zu früh! Ich komme zwar herein, werde aber gleich am Eingang freundlich auf die Uhrzeit hingewiesen. Macht nichts, ich kenne sie ja schon. Auf dem Parkplatz sammeln sich dann drei Busse mit amerikanischen Kreuzfahrtgästen, die aber nur einen Fotostopp einlegen.
Die heutige Tour führt durch wunderschöne Landschaften, besonders auf den kleinen Nebenstraßen, typisch Irland eben. Spannend ist, wie hier im Westen die Weiden kleiner werden, weil die Landschaft keine großen Flächen zulässt, da sie so zerklüftet ist.
In Kinsale erreiche ich dann nach gut 20 Kilometern den Wild Atlantic Way, dem ich auf dieser Reise folgen möchte. Es gibt allerdings auf dieser Route soooo viele Abstecher, die ich nicht alle ausfahren kann, denn der komplette Weg ist ca. 2.600 Kilometer lang! So viel werde ich natürlich nicht schaffen, aber das Ziel ist dennoch Malin Head, der nördlichste Punkt Irlands (Festland). Wir werden in den nächsten Tagen sehen, ob ich das schaffe. Die Ausschilderung ist bisher jedenfalls perfekt. Immer wieder weist ein stilisiertes, weißes „WAW“ auf blauem Grund den Weg.
Auf jeden Fall habe ich heute schon sensationelle Ausblicke auf den Atlantik. Die wichtigsten Stationen sind Kinsale, Timoleague, Clonakilty, Skibbereen, Schull und schließlich Bantry an der Bantry Bay. Es ist übrigens wieder sehr hilfreich, das Navi vorher mit der Route gefüttert zu haben. Das hat mir einige Nebenstrecken beschert, die zwar meist hügelig, aber sehr ruhig waren. Sie haben mir über weite Teile die recht lebhafte N71 erspart.
Es gibt in Irland unglaublich viele dieser unklassifizierten Nebenstraßen, die aber kaum ausgeschildert sind. Selbst mit einer guten Karte wäre das eine echte Herausforderung. Da ist ein Navi eine große Hilfe. Diese Straßen hätte ich sonst nie gefunden.
Heute habe ich ein B&B bei einer netten, älteren Dame in Bantry bezogen. Nach der Ankunft erst einmal trockenlegen, duschen, Wäsche waschen und dann ab in den Ort. Hier gibt es im "The Snug" leckeres Essen und ein schönes Murphy's (so ähnlich wie Guinness, aber speziell hier im Süden weiter verbreitet).
Mal sehen, was der morgige Tag so bringt. Es geht auf die Beara-Halbinsel.

3. Tag: Bantry – Kenmare

Ein wunderbarer Tag! Um acht Uhr gibt es Frühstück. In dem kleinen Frühstücksraum sitzt außer mir nur noch ein holländisches Ehepaar, das mit dem Auto auf Rundreise ist. In der kleinen, angrenzenden Küche bereitet man für uns das Frühstück zu. Wie immer, wenn ich in Irland bin, bestelle ich ein "full irish breakfast" mit Ei, Schinken, Tomate, manchmal auch Würstchen und seltsamen anderen Dingen sowie Toast. Dass es gesund ist, bezweifle ich sehr. Aber hier schmeckt es mir. Drollig war, dass mir die Gastgeberin erzählte, die Iren würden "that stuff" ebenfalls nicht zum Frühstück essen, als ich erwähne, dass ich so etwas zu Hause nie frühstücke. Auch hierzulande eilen wohl viele mit einem Kaffee aus dem Haus oder nehmen gleich den "Coffee to go" von der Tankstelle. Und schon geht wieder eine Illusion über Bord ...
Die Familie unserer Gastgeberin dürfte wohl so typisch-irisch sein. Sie hat fünf Kinder, von denen lebt eine Tochter drei Kilometer entfernt auf einer Farm, eines lebt in Dublin und die anderen drei in Amerika, verteilt auf Texas, Florida und Pennsylvania. Oh Irland, du schickst deine Kinder noch immer fort! Sie hat wohl das Glück, ihre Kinder und Enkel mehrmals im Jahr in Amerika besuchen zu können. Aber sie hasst die Hitze in Florida und Texas.
Aufgewachsen ist Sie hier in Bantry in einer Zeit, als Irland noch ein sehr, sehr armes Land war (ich schätze sie auf vitale siebzig). In der Schule hatten strenge Nonnen das Sagen. Das einzige technische Unterhaltungsgerät zu Hause war die Uhr über dem Kamin, der sie in ihrer Erinnerung hypnotische Wirkung zuschreibt. Im Haus gegenüber aber hatte jemand ein Radio und jeden Sonntag gab es eine Sendung mit Tanzmusik, sodass der Sonntagabend zum großen Tanztreff beim Nachbarn wurde.
Sie erzählt mir noch, dass die irische Jugend nach den Boom-Jahren nach wie vor auswandert. Allerdings heute bevorzugt nach Australien, da Amerika seine Grenzen wohl recht dicht macht, selbst für Iren.
Meine nassen Sachen hatte ich am Vorabend noch ausgewaschen, aber wie in dem relativ kühl-klammen Zimmer erwartet, sind sie nicht trocken. Die Gastgeberin steckt sie dann einfach in den Trockner und nach dem netten Frühstücksschwatz bin ich um kurz nach zehn Uhr endlich mit trockenen Sachen auf der Straße.
Die ersten elf Kilometer bis Glengariff muss ich wieder auf der N71 zurücklegen. N und eine zweistellige Nummer bezeichnen eine Landstraße zweiten Ranges, die alten Landstraßen ersten Ranges mit einstelliger Nummer sind seit den Boom-Jahren heute meistens Motorways, also Autobahnen. Aber der Verkehr hält sich in Grenzen und ich empfinde die irischen Autofahrer als recht rücksichtsvoll.
Von Glengariff können Gartenbegeisterte mit einem Schiff zur in der Bucht gelegenen Insel Garnish-Island übersetzen. Anfang des 20. Jahrhunderts kaufte ein wohlhabender Herr die karge Insel, ließ tonnenweise Erde dorthin schaffen und ließ einen prachtvollen Garten mit teilweise exotischen Pflanzen (die hier dank des Golfstroms prachtvoll gedeihen) anlegen. Am Ende des Vorhabens war er ruiniert, aber der Garten steht nach wie vor.
Mich aber zieht es auf den „Ring of Beara“, eine Straße, die die Beara-Halbinsel umrundet. Sie gehört zu den vier Halbinseln, die hier im Südwesten Irlands weit in den Atlantik ragen. Zunächst entlang der südlichen Straße gen Westen, zu meiner rechten Seite wachsen die Berge beeindruckend an. Zum Glück kann ich sie auf dieser Strecke umrunden. Trotzdem bringen mich die Steigungen durchaus schon mal in meinen persönlichen Grenzbereich (keuch), aber zumindest muss ich nicht schieben.
Hatte ich schon erwähnt, dass heute die Sonne die Oberhand hat? Das Wetter ist prima, ein paar einsame Wolkenschleier huschen über den Himmel und es ist nur teilweise etwas diesig. Immer öfter ergeben sich tolle Ausblicke auf die links liegende Bucht und im Zusammenspiel mit den Bergen wird das Panorama zunehmend beindruckend.
Im kleinen Hafenstädtchen Castletownbearhaven gönne ich mir eine Mittagspause. Ich sitze vor dem MacCarthy's-Pub und genieße in der Sonne einen Tee und ein riesiges Chickensandwich. Der Pub erweist sich als uralt. Es ist eine Art Mischung aus Pub und Krämerladen und es gibt sogar noch eine der früher typischen „Säuferkojen“, einen separaten Raum im Pub für meist eine Person, die dort verborgen vor den anderen Besuchern ihren Kummer im Whiskey ertränken konnte. Natürlich handelte es sich dabei immer um Männer. Frauen mussten sich zusammen mit Freundinnen mit der Lounge begnügen (und so ist es auf Lande eigentlich noch heute).
Auf den Fenstersims hinter mir setzt sich ein alter Mann. Das Gespräch mit ihm erweist sich als besonders schwierig, weil ich ihn kaum verstehe. Ist es sein Dialekt oder möglicherweise sein Gebiss, dass er virtuos und herausragend in alle Himmelsrichtungen verschieben kann? Etwas Trost spendet mir die Tatsache, dass auch die junge Bedienung seine Bestellung einer Cola kaum versteht. Aber alle scheinen ihn zu kennen, grüßen beim Vorbeigehen, beeilen sich aber, ihren Gang nicht zu stoppen, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden. Sie verstehen ihn wahrscheinlich auch kaum.
Ich entscheide mich, jetzt auch noch den westlichen Teil der Halbinsel zu umrunden, statt die ab hier mögliche Abkürzung zu nutzen. Wenn ich gewusst hätte ...
Zunächst schraubt sich die Straße wieder wie erwartet in die Höhe. Was aber nun folgt ist ein furioses Auf und Ab mit immer steileren Anstiegen und immer grandioseren Ausblicken. Anscheinend wird man als Radfahrer nur bei einer gewissen Leidensfähigkeit auch mit tollen Panoramen belohnt. Die Landschaft wird karg und felsig und die Steigungen zeigen mir ganz deutlich meine persönlichen Grenzen. Habe ich denn so schwer gepackt, bin ich so schlecht in Form? Wie dem auch sei, mein persönliches Waterloo bleibt mir knapp erspart und ich muss nicht absteigen und schieben. Aber knapp davor ist's!
Vor lauter Staunen und Fotostopps merke ich kaum, wie mir die Zeit davongallopiert. Unterwegs komme ich bei einem Fotostopp mit einer spanischen Familie ins Gespräch. Sie leben seit vier Jahren in Irland und sind nun mit dem Auto auf einer kleinen Rundreise. Unsere Tagesetappen sind weitgehend identisch. Nur ich eben mit dem Rad und sie mit dem Auto. Sehr nette Leute! Später überholen sie mich noch einige Male und wir halten dann sogar im Fahren noch einen Schwatz.
Als ich auf der Nordhälfte der Beara-Halbinsel (nun endlich mal mit Rückenwind) zurückfahre, entfalten die tief stehende Sonne, das Wasser und die Berge ein wahres Feuerwerk an Ausblicken. Mir wird ganz schummrig ... Gegenüber der Bucht sind schon die Berge der Iveragh-Halbinsel zu sehen, die bei mir morgen auf dem Plan steht. Hier erheben sich die Macgillycuddyreeks majestätisch und ehrfurchtgebietend auf über 1.000 Meter Höhe (von Null!!).
So ganz nebenbei werden die quälenden Bergauffahrten mit entsprechend rauschenden Abfahrten durch so manches Kurvenlabyrinth belohnt. Als eine der größeren Herausforderungen dieser Reise sehe ich inzwischen, dass ich mir keine Erkältung zuziehe. Die schweißtreibenden Auffahrten und dann die Abfahrten im kühlen Wind ...  Und da das Auf und Ab so häufig ist, macht auch das Umziehen – z.B. auf der Bergkuppe – keinen Sinn. Na, hoffen wir mal das Beste ...
Wegen der vorangeschrittenen Stunde zweifele ich inzwischen daran, dass ich mein Tagesziel Kenmare noch erreichen kann. Ungefähr 20 Kilometer vor Kenmare erscheint mitten im Nichts ein Pub mit Restaurant und B&B. Herrlich! Genau das, was ich suche. Leider gibt es kein Zimmer, angeblich ausgebucht. Das kann ich mir bei dem mit reichlich Patina versehenen Haus kaum vorstellen. Ich glaube, der Wirt will in Ruhe mit seinen Gästen in der Bar feiern, weil heute nämlich Kerry im Fußball gewonnen hat (und wir sind hier im County Kerry).
Naja, ich rausche dann nach Kenmare durch und finde nach einem gescheiterten Anlauf ein wunderbares B&B am Rande des Zentrums. So kann ich zu Fuß auf die Suche nach einem Restaurant gehen. Das erweist sich als gar nicht so einfach. Erst im dritten Anlauf bekomme ich einen Platz. Das Essen ist ganz ok und nun – während ich hier schreibe – baut sogar eine junge Band ihre Anlage auf. Mir schien schon vorhin, während der Restaurantsuche, dass heute (es ist Samstag) anscheinend überall Livemusik gespielt wird. Was für ein erfrischender Gegensatz zur Live-Wüste Deutschland. So, mal sehen, was kommt.
Ach ja! Da fällt mir ein ... die Etappe war heute 133 Kilometer lang und bis 20 Kilometer vor Kenmare sammelten sich ca. 1.400 Höhenmeter an (dann starb das Navi den vorläufigen Akku-Tod, weil ich Dussel das Display auf volle Helligkeit gestellt hatte).

4. Tag: Kenmare - Glenbeigh

Was soll ich sagen? Der Tag beginnt mit einem wunderbaren irischen Frühstück (wie sonst?). Kurz nach acht bin ich dort, damit ich möglichst gegen neun Uhr starten kann. Es kommt natürlich wieder ganz anders. An den Nachbartisch setzt sich ein Paar, das ich am Tag zuvor schon in einem Ort auf Motorrädern gesehen hatte. Sie fielen mir wegen der deutschen Kennzeichen auf. Es entwickelt sich ein nettes und langes Gespräch und – schwupp – zehn Uhr. Es stellt sich heraus, dass er in H. ein eigenes Geschäft hat und BMWs verkauft. Wir tauschen unsere Adressen zwecks gemeinsamer Tourenplanung aus, da er auch mit seinen Kunden Reisen unternimmt.
Als ich endlich auf der Straße stehe ist es auch sicher schon halb elf durch. Flugs noch Wasser kaufen und auf den Weg. Die Orientierung zum Ring of Kerry ist einfach, da der direkt in Kenmare beginnt.
Die ersten Kilometer sind zäh, die Steigungen zwar mäßig, aber die Beine irgendwie schlapp. Aber es wird schon werden, sage ich mir. Äh ja ..., und dann fängt es an zu regnen. Erst ein wenig Niesel, und dann doch irgendwie richtig. Meine Regenjacke habe ich zwar schon angezogen, aber für den Rest ist es irgendwie zu spät. Also gut, dann eben Regen!
Am Horizont vor mir taucht dann ein weiterer Radfahrer auf und ich erkenne, dass ich ihn bald einholen werde. Er heißt M. und kommt aus Essex in England. Wir beschließen, ein Stück zusammen zu fahren. Daraus werden zwei Teepausen und eine gemeinsame Fahrt im fast durchgehenden Regen bis Glenbeigh. Die Aussichten unterwegs sind sicher großartig (weiß ich sicher, denn ich war ja schon ein paar Mal auf dem Ring of Kerry unterwegs), wenn wir denn bei entsprechender Höhe nicht in den Wolken stünden. Entgegenkommende Autos und Busse tauchen wie aus dem Nichts aus der Nebelwand auf. Eine ganz eigenartige Atmosphäre und nicht ohne Reiz. Nur viel sehen tut man eben nicht.
Mit seinen 25 Jahren ist M. mit dem Fahrrad schon weit gekommen und ich muss ihm meinen größten Respekt zollen. Von Kanada nach Mexiko war ebenso dabei wie vom Nordkap in Norwegen nach Marokko. Jetzt ist er von Essex mit dem Rad hierhergekommen und plant noch einige Tage ein, bevor es zurück nach Hause und ans Architekturstudium geht. Und dafür, dass er mit dem Zelt unterwegs ist, fällt sein Gepäck beeindruckend schmal aus.
Vor dem strömenden Regen bringen wir uns in Waterville in einem Cafe in Deckung, das mehr wie ein Wohnzimmer aussieht. Ein Paar turtelt auf dem Sofa und einige weitere Gäste lassen sich mit Kaffee, Tee, hausgemachten Kuchen und Scones versorgen. So machen wir es auch. Der Inhaber scheint deutsche Verbindungen zu haben, jedenfalls kann er einige deutsche Wörter gegenüber den anderen deutschen Gästen herausbringen, die ihn anscheinend kennen.
Das Örtchen Waterville wurde wohl regelmäßig als Ferienort von Charlie Chaplin besucht, dem hier mit einer lebensgroßen Bronzestatue gehuldigt wird. Vor einer Woche fand hier wieder – von der Weltöffentlichkeit weitgehend ignoriert – das alljährliche Charlie Chaplin Festival statt.
M. schlägt vor, für den Abend ein Hostel in Glenbeigh zu buchen. Ich willige ein und er bucht online ein Zimmer. Für mich eine neue Erfahrung, da ich selten in Vierbettzimmern mit Dusche und Toilette auf dem Gang übernachte. Aber es scheint später so, dass die anderen Betten nicht belegt sind.
In Glenbeigh geht ebenfalls gerade ein Festival zu Ende – anscheinend ging es um Musik und um Wettkämpfe am Strand – jedenfalls ist am Abend im Pub die Hölle los. Es gibt brüllend laute Livemusik, alle singen mit und es wird getanzt. Touristen erkenne ich kaum, die Damen sind fein zurechtgemacht, die Herren nicht so. Aber egal, es wird ausgelassen gefeiert. Kurz vor taub verlasse ich den Pub um noch meinen Tagesbericht zu schreiben. Im Hostel gibt es eine gemütliche Lounge und hier sitze ich nun und unterhalte mich mit einem deutschen Wanderer. Der in Berlin lebende Schweriner hat in zehn Tagen den Ring of Kerry erwandert (also die Iveragh-Halbinsel, denn der Wanderweg geht ja querfeldein). Er ist erst spät zum Wandern und Radfahren gekommen und heute ganz begeistert davon.
Das heutige Etappenziel Glenbeigh liegt noch auf dem Ring of Kerry, ca. 23 Kilometer vor meinem geplanten Tagesziel Castlemain. Die werde ich morgen wieder einholen müssen. So sind es heute gut 109 Kilometer geworden. Inzwischen sind aus dem Klönschnack mit dem freundlichen Wanderer über drei Stunden geworden. Und M. scheint im Pub versackt zu sein.

5. Tag: Glenbeigh - Dingle

Äh ja, … also die Nacht im Hostel … die war so lala. Konnte schlecht einschlafen und es war durch die lange – und nette – Unterhaltung mit dem Berliner Wanderer Schweriner Herkunft ja auch schon sehr spät/früh. Bin trotzdem rechtzeitig hoch, mache mir mein Hostelfrühstück selbst, packe, verabschiede mich von M. und dann los.
Schon wenige Kilometer hinter Glenbeigh liegt ein Freilichtmuseum rund um das Thema Torf: "The Kerry Bog Village". Sehr spannend, weil man anschaulich einen Eindruck davon bekommt, wie einfach das Leben in den Cottages der Torfstecher damals war. Unvorstellbar, dass in diesen kleinen und dunklen Häusern (größere Fenster wurden extra besteuert!!) so große Familien gelebt haben. Dabei gab es oft nur ein Bett, das aus heutiger Sicht auch nur für eine Person reichen würde. Auf dem Gelände wimmelt es vor Amerikanern, die aus fünf Bussen ausgeschüttet wurden. Die sind zu irgendeinem American-Football-Spiel hier.
Über Killorglin und Castlemain geht es nun auf die dritte Halbinsel, die Dingle-Peninsula. Schon bald öffnet sich der Blick auf die Bucht zur Rechten, während die Berge zur Linken aufstiegen. Bei Inch lockt eine Tee-Pause am Sandstrand, der sich zu einem Eldorado für Surfer – die echten analogen, nicht die Internetsurfer – entwickelt hat. Jedenfalls treiben sie in größerer Menge, auf DIE Welle wartend, im Wasser. Immer wieder springt mal einer auf und versucht sein Glück.
Das Wetter ist heute hell und freundlich, wenn auch nicht besonders sonnig. Die Ausblicke sind zunehmend aufregender. Gegenüber, auf der anderen Seite der Bucht, die Berge der Iveragh-Halbinsel (wir erinnern uns, die mit dem höchsten Berg Irlands), auf meiner Seite steigt die Küste an und zeigt ihre schroffen Kanten.
Dingle ist am frühen Nachmittag erreicht und ich suche mir ein B&B, um anschließend mit etwas weniger Ballast die äußerste Westküste der Halbinsel zu umrunden, den sogenannten Slea Head. Zur Abwechslung wird es mal wieder historisch und ich stoppe zunächst an der Kirchenruine von Kilfenora aus dem 12. Jahrhundert. Die Ruine ist eher schlicht, aber ein paar uralte Steine mit vorzeitlichen Schriftzeichen gehören zur Anlage. Ich finde so etwas ja spannend. Gleichzeitig taucht eine Gruppe auf, die aus dem Burgenland kommt. Ich höre ihrem Reiseleiter ein wenig zu und finde ihn – gelinde gesagt – ziemlich nichtssagend, etwas konfus und tatsächlich steckt mir ein Reiseteilnehmer, dass die Gruppe ziemlich unglücklich mit ihm sei. Und mir fiel das schon in zwei Minuten auf. Die Armen ...
Die nächste Station ist das Gallerus-Oratorium, eine Art frühchristliche Kirche, die wie ein umgestülptes Boot aussieht. Über 1.300 Jahre alt und immer noch Regendicht. Und das ohne Goretex und Co ...
Ab hier geht es dann an die Küste und schon bald verschlägt es mir fast den Atem: Das Panorama auf die Steilküste öffnet sich und in einer kleinen Bucht stoppe ich, weil hier gewaltige Wellen teilweise wie Feuerwerk an den Felsen explodieren. Die salzige Gischt taucht das alles in sanften Nebel.
Ab hier geht es über lange Zeit mit sensationellem Ausblick direkt an der Küste entlang. Ich komme kaum in Fahrt, weil ich dauernd für Fotos stoppe. Noch leicht von den Eindrücken benebelt, rolle ich am Abend wieder in Dingle ein. Unterwegs stelle ich mir schon die Frage, ob man so viele großartige Atlantikaussichten überhaupt so lange ertragen und verarbeiten kann. Bleibt das Spektakuläre spannend oder guckt man am Ende irgendwann gar nicht mehr hin? Reizüberflutung der natürlichen Sorte ...
Apropos ... so reizend finde ich meine Unterkunft eigentlich nicht. Dusche und WC teilt man sich mit zwei Nachbarzimmern, von denen zum Glück nur eines belegt ist. Zum Hause gehören zwei Kläffer, von denen der eine eher giftig wirkt, statt, wie von der Gastgeberin beteuert, friedlich. Naja, ist ja nur für eine Nacht und ich hätte es ja nicht nehmen müssen. Für das gleiche Geld habe ich in Kenmare dagegen fürstlich übernachtet.
Abendessen gibt's im Pub und das ist auch tatsächlich sehr ordentlich. Aus dem ursprünglich einfachen Pub-Essen ist vielerorts eine wirklich ordentliche Küche geworden. Anschließend gibt's Livemusik mit einem Gitarristen und Sänger der besonderen Sorte. Tolle Stimme, tolle Interpretationen von irischen Traditionals und anderen bekannten Liedern. So was habe ich selten gehört. Und deswegen höre ich jetzt weiter zu.
Die Strecke war heute ca. 115 Kilometer lang, bei überschaubaren 900 Höhenmetern.

6. Tag: Dingle - Tarbert

Obwohl ich von meinem B&B ja nicht so begeistert war, muss ich doch sagen, dass das Frühstück sehr nett ist. Der kleine Raum ist mit Elvis-Devotionalien angefüllt und im tragbaren CD-Plärrer laufen irische Lieder in amerikanischer Country-Manier. Meine Gastgeberin gibt Preis, dass sie zehn Jahre in München gelebt und dort für die US-Armee und die Nato gearbeitet hat. Dort hat sie auch einen Deutschen geheiratet, ist aber dann 1981 mit ihrer damals dreijährigen Tochter nach Irland gegangen. Zurückgegangen kann man nicht sagen, da sie selbst in London aufgewachsen ist. Das Haus, in dem ich übernachtet habe, ist das Haus ihrer Großeltern. Sie kam damals direkt hierher nach Dingle. Sie sagt, dass sie nicht noch einmal München gegen Dingle eintauschen würde, da hier einfach nichts (los) ist. Der Winter ist lang und regnerisch und alles Kulturelle spiele sich in Dublin ab, was in aller Regel eine dreitätige Reise bedeutet. Ich gestehe, ich selbst nutze das überschäumende Angebot meiner Heimatstadt Hamburg ja auch nicht sooo viel, aber ich weiß eben, dass ich das jederzeit könnte. Das ist wohl einer der großen Unterschiede zu einem Leben hier in der Abgeschiedenheit. Oft nur ein mentaler, aber ein ganz entscheidender.
Heute habe ich das Gefühl, dass mich eine Erkältung einholt. Jedenfalls knarzen die Knochen ein wenig und die Stimme ist dicht an Bonny Tyler. Aber es hilft ja nichts, ich muss und ich will los. Nebenbei werde ich von dem dreibeinigen Kläffer damit geehrt, dass ich ihn streicheln darf. Das würde normalerweise mehrere Tage dauern. Ich habe da wohl ein zutrauliches Händchen.
Direkt hinter Dingle geht dann auch der Anstieg zum Connor-Pass los. Nach gut acht Kilometern habe ich mich hinaufgekeucht. Oben treffe ich eine Radfahrerin aus Belfast, die gerade aus der anderen Richtung herauf kommt und ebenfalls etwas schweratmig ist. Sie hat ein schönes, neues Rennrad mit schmalem Gepäck. Sehr gut! Sie will heute nur noch nach Dingle, was als Abfahrt ja in wenigen Minuten erledigt sein würde (sie mag schnelle Abfahrten allerdings nicht so...). Sie möchte nämlich noch Fungy sehen. Das ist ein berühmter Delfin, der als Einzelgänger seit Jahren in der Dingle Bay lebt. Das ist für einen Delfin anscheinend sehr ungewöhnlich. Es gibt jeden Tag Bootsfahrten und er taucht wohl auch regelmäßig auf, denn bei Nichterscheinen seitens des Delfins gibt es das Geld zurück.
Hier oben am Pass sitzt eine junge Amerikanerin und machte sensationelle Zeichnungen und Skizzen von der Landschaft. Und so schnell!! Das sieht unglaublich ruhig aus, wie sie da im Schneidersitz auf der Mauer sitzt. Ganz im Gegensatz zu den neuen Smartphone-Fotografen. Die parken ein, haben beim Aussteigen schon fast das Smartphone vor der Nase, knipsen schnell ein paar Bilder und verschwinden wieder im Auto, ohne auch nur einmal ohne Smartphone vor den Augen auf die Landschaft gesehen zu haben. Sehr seltsamer Trend ...
Für mich geht es nun kilometerlang in rauschender und kurvenreicher Abfahrt auf der Nordseite der Halbinsel wieder nach unten. Herrlich! Zu beiden Seiten dann die übliche Kombination: rechts die See, links die Berge. Vielleicht sollten wir das der Einfachheit halber künftig als LSRB bezeichnen? Hier überwiegen jetzt aber Strände und Dünenlandschaften.
Kurz vor Tralee treffe ich auf einen radelnden Schweizer mit Knieproblemen, aber am Stadteingang trennen sich unsere Wege, da ich noch in das Zentrum möchte. Eine kleine Kaffeepause kommt mir gerade recht. Habe ich schon einmal gesagt, dass sich die kleineren, irischen Städtchen sehr ähneln? Die Gebäude meist planmäßig im 18. Jahrhundert angelegt, die auch in England typischen, bunt gestrichenen Holzfassaden vor den Geschäften ... das alles wiederholt sich in verschiedenen Varianten. Als wirklich unterschiedliche Städte darf man sicher Dublin, Cork, Galway und auch Limerick bezeichnen. Westport vielleicht noch wegen des oktagonalen Aufbaus. Aber sonst ... sehr gemütlich, aber eben ähnlich und nur unterschiedlich groß.
Meine nächste Station ist, ganz leicht abseits des WAW, das Örtchen Ardfert. Hier besuche ich die Ruine der gleichnamigen Kathedrale und bekomme – da ich zunächst der einzige Gast bin – auch gleich eine kleine Führung dazu. Nur einen Kilometer weiter liegt die Ruine des dazugehörigen Klosters. Gleich hinter einem Sportplatz und ohne jeden Eintritt.
Es ist nun schon später Nachmittag und ich habe noch Einiges vor mir. Langsam muss ich mich sputen, wenn ich noch mein Ziel Tarbert erreichen will. In Ballyheigue lockt eine weitere Kaffeepause mit Seeblick und ich erliege anschließend nicht der Versuchung, die "Hauptstraße" zu nehmen, sondern folge der Küstenlinie. Eine gute Entscheidung, denn der Verkehr ist mäßig und überall sind Farmen und im Hintergrund fast immer der Blick auf die See. Unterwegs blockiert ein eindrucksvoller Rinder-Konvoi den Verkehrsfluss. Entschleunigung by nature. Herrlich.
Auf einer ähnlichen Nebenstrecke – nun ohne Seeblick – kürze ich den Weg nach Tarbert ab und finde gleich ein wunderbares B&B in der Ortsmitte. Vorher mache ich noch kurz einen Abstecher zu einer Klosterruine bei Ballylongford. Erstaunlich, dass das ganze Innenleben der 600 Jahre alten Ruine mit aktuellen Gräbern angefüllt ist. In dieser Fülle hatte ich das noch nicht gesehen. Schön!
Der Empfehlung meiner Gastgeberin folgend, esse ich gut und preiswert im Enrights-Restaurant. Beim Betreten wirkt es erst fast wie ein Wohnzimmer. Kein Tresen, keine Bedienung, nur drei Türen am Ende des Raumes und drei Herren am Tisch. Durch eine der Türen kommt dann der Kellner/Koch/Inhaber und es gibt ein leckeres Abendessen.
Anschließend noch auf ein Guinness in den Pub, den ich bei meiner Ankunft gesehen hatte. Aber halt! Im Vorbeigehen sehe ich neben den Restaurant einen eher schlichten Pub, die Tür steht offen und ich sehe nur eine Person am Tresen. Hier bin ich richtig! Die eine Person ist der Inhaber und Wirt und es beginnt eine nette Unterhaltung. Er heißt Thomas und der Pub ist bereits seit 125 Jahren in Familienbesitz, er leitet ihn in der vierten Generation. Tagsüber ist er Postbote und Undertaker (Beerdigungsunternehmer) und am folgenden Morgen versichert mir meine Gastgeberin, dass er auch noch wundervoll singen kann. Anschließend kommen drei Herren aus dem Restaurant noch dazu, von denen einer ein "Local" ist und die anderen beiden aus England und Italien kommen. Als dann noch V. mit J. dazukommt, ist die Runde für heute vollständig und der Abend endet spät. SPÄT! Schwierig ist für mich, mitzubekommen, wann ICH mal eine Runde ausgeben kann.  Alles in allem ein herrlicher und spontaner Abend. Irland at it's best!! Völlig unerwartet und im unscheinbaren Tarbert. Wahrscheinlich kann so etwas auch nur in touristisch abgelegenen Orten passieren.
Tagesleistung: 115 km und knapp 1.000 Höhenmeter (wovon ja schon knapp 500 auf das Konto des Connor-Passes gehen).

7. Tag: Tarbert - Doolin

Nachdem meine Gastgeberin mir ein leckeres Frühstück bereitet hat, mache ich mich auf dem Weg zur Fähre, die mir natürlich prompt vor der Nase wegfährt. Macht aber nix, schon eine halbe Stunde später fährt die nächste und bringt mich auf die andere Seite des Shannons nach Killemer. Die Shannon-Mündung ist hier recht breit und die Überfahrt dauert ca. 20 Minuten. So bleibt mir der große Umweg über Limerick erspart und ich bin dann auch gleich im County Clare. Auch hier werde ich wieder mit saftigen Hügeln empfangen und es geht eigentlich den ganzen Tag rauf und runter. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich daran wirklich gewöhne.
Heute folgt der WAW weitgehend einer gut ausgebauten Landstraße, die recht befahren ist. Aber insgesamt geht es. Die wellige, weit einsehbare Strecke führt mich des Öfteren ans Wasser. Meist sind es Strände und dementsprechend gibt es hier auch Urlaubsorte wie z.B. Kilkie, Lisconner oder Lahinch. Ansonsten passiert nicht viel Aufregendes. Das wichtigste Tagesziel sind die Klippen von Moher, die ich am späten Nachmittag erreiche. Hier war ich schon häufiger und stelle nun erfreut fest, dass Radfahrer und Fußgänger anscheinend keinen Eintritt mehr bezahlen. Die Häuschen am Eingang sind jedenfalls unbesetzt. Es ist natürlich viel los, weil es sich um eine der größten Sehenswürdigkeiten des Landes handelt. Die Klippen stürzen gut 200 Meter senkrecht in den Atlantik, ein immer wieder sensationeller Anblick. Früher durfte man auf eigene Gefahr noch bis an den Abgrund, heute gibt es Absperrungen, was bei dem Andrang auch sicher gut so ist. Nur ein paar Meter weiter kann ich mich aber doch an den Klippenrand setzen (mit Angsthasenabstand).
Von hier rausche ich in Richtung Doolin herunter, mein heutiger Übernachtungsort. Zunächst aber besorge ich mir im Informationsbüro ein Ticket für das Schiff am nächsten Morgen zu der Aran-Insel Inishmor. Dort wird noch Irisch gesprochen (oder Gälisch), die alte keltische Sprache der Iren, die ihnen von den Engländern ausgetrieben wurde. Offiziell ist sie erste Landessprache, Englisch erst die zweite, aber in Wirklichkeit sprechen nur noch wenige Iren Irisch. Außerdem gibt es auf Inishmor das prähistorische Steinfort Dun Angus, das ich mir gerne ansehen möchte. Ein B&B ist trotz des Unkens der Informationsdame (Doolin is a hotspot, you know?) schnell gefunden und einen Pub mit gutem Essen gibt es auch. Herz, was willst Du mehr? Leider kann ich im Informationsbüro nicht die Fähre von Inishmor nach Rossaveal buchen, die ich am nächsten Nachmittag nehmen möchte. Ein Versuch im Internet scheitert. Naja, dann rufe ich morgen früh eben dort an.
Tagesstrecke: 87km.

8. Tag: Doolin - Kilkerrin

Heute muss ich mich beim Frühstück etwas sputen, da meine Fähre zu den Aran-Inseln um zehn Uhr ablegt und ich wegen des Fahrrades eine halbe Stunde früher da sein soll. Ich starte sehr rechtzeitig und bin schnell am ca. zwei Kilometer entfernten Hafen. Hier wird tüchtig gebaut, was mir auch notwendig scheint, denn mehr als zwei Boote können nicht gleichzeitig anlegen. Und so liegen dann schon jeweils zwei hintereinander und draußen warten auch noch welche.
Hier ist ordentlich Betrieb und die Boote müssen regelrecht rangieren, damit die richtigen Passagiere an Bord kommen. Es gibt Abfahrten zu allen drei Inseln, Inisheer, Inishman und – zur größten – Inishmor. Trotz des allgemeinen Gewusels bin ich schlussendlich samt Fahrrad an Bord und freue mich, dass sich der Atlantik gnädig zeigt und es kaum schaukelt. Nach gut anderthalb Stunden erreicht die „MV Happy Hooker“ Inishmor. Es ist bestes Sommerwetter und es scheint von Besuchern nur so zu wimmeln. Viele leihen sich ein Fahrrad und strampeln los. Hm, das hatte ich mir ruhiger vorgestellt. Später hat sich aber alles gut verteilt. Wie fast alle anderen stürme ich erst einmal den SPAR-Laden für ein paar Kleinigkeiten und etwas Wasser, gönne mir einen Kaffee und mache mich dann auf den Weg.
Meine Güte, ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus!! Schon oft hatte ich gelesen, wie die kargen Kalksteinfelsen fruchtbar gemacht wurden. Es wurden kleine Felder mit Steinmauern umgeben und diese Felder mit Seetank und Sand so lange aufgefüllt, bis sich Humus gebildet hat. Das muss mühsam und langwierig gewesen sein. Und es sind sooo viele Steinmauern!! Angebaut wird hier aber anscheinend nichts mehr, einige werden als Weiden benutzt. Immer wieder tun sich herrliche Ausblicke auf und ich fotografiere wie ein Weltmeister. Die Zeit vergeht schneller als gedacht und ich hebe mir das Steinfort Dun Angus bis zum Schluss auf. Beim Aufstieg zum Fort gib es ein Besucherzentrum mit Cafe und Shop. Und einen großen Fahrradparkplatz, aber keinen für Autos!
Der Aufstieg zu Fuß dauert ungefähr eine Viertelstunde. Das letzte Stückchen ist auf den alten Steinen recht halsbrecherisch. Sollten sich die angreifenden Feinde etwa gleich die Füße brechen? Na, möglicherweise sind die Steine in den letzten 2.500 Jahren etwas unförmig geworden. Oben angekommen ist der Ausblick gewaltig. Das Fort liegt direkt an den Klippen und wird von drei im Halbkreis liegenden Mauern gebildet. Von wem das Fort zu welchem Zweck in diesem abgeschiedenen Winkel der Welt gebaut wurde, weiß niemand so recht zu sagen.
Einige Wagemutige robben auf dem Bauch an den Klippenrand. Eine junge Französin setzt sich sogar direkt an den Rand. Mir wird vom Zusehen schon ganz schummrig. Immerhin geht es gut einhundert Meter senkrecht in die Tiefe. Kein Zaun, keine Grenze. Wie früher bei den Cliffs of Moher. Ein seltsamer Ort, irgendwie mystisch ...
Anschließend geht es im Inselinneren mit deutlichem Auf und Ab zurück nach Kilronan, dem Hafen. Dort wartet mein Schiff nach Rossaveal, das ich am frühen Morgen telefonisch gebucht hatte. Es ist eine moderne Schnellfähre (nur für Passagiere, keine Autos) und sie ist deutlich größer als das Boot von Doolin. Nur gut 45 Minuten dauert die Überfahrt. Eigentlich wollte ich in Rossaveal übernachten, aber das Wetter ist so schön und es ist erst viertel vor sechs. Also fahre ich weiter, es wird sich schon was finden.
Weiter auf dem WAW wird die Strecke bald ruhig und die auf der Karte eingetragenen Orte sind meist nicht einmal Dörfer. Ich mache mir langsam Sorgen um eine Unterkunft. Aber das Abendlicht leuchtet herrlich in die Landschaft von Connemara, die so ganz anders aussieht, als vorher Kerry und Clare. Brauntöne herrschen nun vor, Felsen liegen versprengt in der Landschaft, Seen und Buchten prägen das Bild und im Hintergrund leuchten die Berge der Twelve Bens. Die Berge Irlands sind übrigens nie spitz und schroff wie z.B. die der Alpen. Sie sind durch die Eiszeit fast immer rund geschliffen und sehen ein wenig aus wie gestrandete Wale.
Als es schon langsam dämmert sehe ich eine Rennradlerin vor mir. Als ich sie einhole grüße ich und es entsteht – wie fast immer – ein freundliches Gespräch. Sie wohnt hier und macht eine kleine Abendrunde. Fast jeder grüßt sie, was kein Wunder ist, denn sie ist Lehrerin. Man trifft anscheinend entweder ihre Schüler oder deren Eltern. Wir fahren ein Stück bis zu ihrem Wendepunkt zusammen. Dort findet sich auch ein nettes B&B samt freundlichem Hund. Der etwas weiter gelegene Pub bietet leider kein Essen. Ich belasse es bei einem Guinness und kaufe im kleinen Supermarkt ein kleines Abendessen ein. Es stellt sich heraus, dass der füllige Herr an der Kasse der Ehemann meiner B&B- Gastgeberin ist und tatsächlich treffen wir uns nachher noch bei ihm Zuhause.
Schon bei der radelnden Lehrerin habe ich neugierig gelauscht, als sie sich mit dem Wirt des Pubs kurz unterhielt. Und im Pub ging es weiter: Sie sprechen hier alle Irisch untereinander. Es ist hier also tatsächlich noch die Gebrauchssprache und nicht etwa nur ein touristisches Gimmick. Auch meine Gastgeber sprechen Irisch. Die Kinder sind zweisprachig aufgewachsen, wobei Englisch in der Schule und durch das Fernsehen unterrichtet wird. Sehr spannend! Die Gegend hier ist ziemlich abgelegen und Übernachtungsgäste gibt es wohl nicht oft. Meine Gastgeberin bereitet mir einen Tee und ich esse in der Küche mein eingekauftes Brot mit Käse und höre dabei etwas irische Musik. It could be worse ... Eine gute Dusche und ab in die Koje!
Tagesstrecke: ca. 67 km und 2 Stunden und 15 Minuten auf See.

9. Tag: Kilkerrin - Leenane

Heute gelingt mir der Aufbruch mal früh und um neun Uhr rollte ich bereits bei leichtem Nieselregen los. Es geht auf der wunderbaren Nebenstraße von gestern weiter und ich fahre die weiten Bögen im Süden Connemaras voll aus. Die Landschaft begeistert mich hier immer wieder und die Berge der Twelve Bens im Hintergrund kommen mal näher und rücken dann wieder weiter weg, ja nach meiner Fahrtrichtung an den Buchten.
Es ist recht windstill und das unerfreuliche Resultat zeigt sich dann bei kurzen (Foto)-Stopps. Es dauert nicht lange und schon bin ich von fiesen kleinen Mücken umschwärmt. Wir kennen diese Art bei uns nicht, sie sind wirklich winzig und kriechen überall hin, beißen und hinterlassen juckende kleine Beulen, die leider deutlich länger halten als die unserer – im Vergleich – einheimischen Jumbo-Bomber. Solange ich hier in Süd-Connemara am Wasser bin, machen Stopps keinen Spaß!! So rolle ich recht zügig und gönne mir einen ersten Kaffeestopp im schönen Örtchen Roundstone.
Halbzeit der Tour ist Clifden, ein beliebter Urlaubsort und Ausgangspunkt für Erkundungen in Connemara. Ich gönne mir zum ersten Mal ein Guinness während des Tages und vertilge ein Sandwich. Clifden ist recht wuselig. Generell muss man sagen, dass der enorme Autoverkehr den Orten nicht gut bekommt. Ok, wo tut er das schon? Aber die kleineren irischen Städte sind allesamt in ihrer Struktur wie vor 200 Jahren. Da halten die Straßen einfach nicht mehr mit. Der Verkehr rollt durch die zugeparkten Straßen und die Fußwege sind schmal. Das Fotografieren der schönen Fassaden wird so zum Kunststück. Aber naja, wegen der Städte ist man ja meist nicht in Irland.
Ab Clifden fahre ich auf der Nordseite der Berge weiter und es wird wieder recht hügelig. Da es hier nur eine Straße gibt, ist der Verkehr zunächst etwas nervig. Und zum allerersten Mal hupt mich ein irischer Autofahrer (oder war er gar kein Ire?) unfreundlich an. Ich bedanke mich und zeige ihm einen gekonnten germanischen Vogel, da ich ja nirgendwo sonst hätte fahren können. Aber das ist die Ausnahme. Heute klingt mir aus einem vorbeifahrenden Auto sogar ein "How are you?" entgegen. Die Antwort musste ich ihm leider schuldig bleiben, da er schon vorbeigefahren war ...
Jedenfalls lässt der Verkehr später nach, aber da die Straße recht eng und kurvig ist, macht es nicht immer so viel Spaß. Als Radfahrer fühlt man sich gehetzt und die Autofahrer fühlen sich behindert (obwohl das keiner zu erkennen gibt).
Unterwegs stoppe ich an einem Bog, einem Torffeld. Hier wurde ganz frisch Torf gestochen und gestapelt. Als ich mir das näher ansehe, merke ich, wie der Boden richtig weich federt. Trotz moderner Heizungen stechen viele Iren immer noch ihren eigenen Torf. Das gibt im Kamin ein gemütliches Feuer, allerdings längst nicht so heiß wie von Holz. Dafür hat es einen ganz eigenen Duft, der sich oft angenehm über die Landschaft legt.
Ein kurzer Stopp an der malerisch gelegenen Kylemore Abbey und weiter geht es in meinen Lieblingsort Leenane. Ich weiß nicht warum, aber ich bin gerne hier. Eigentlich sind es nur ein paar alte Häuser, die aber ganz malerisch am Killary Harbour liegen, dem einzigen Fjord Irlands. Er wird auf beiden Seiten von hohen Bergen eingerahmt.
Zuerst versuche ich es im alten Leenane-Hotel, aber das ist ausgebucht. Eine große Motorradgruppe hat hier Quartier bezogen. Dafür finde ich ein nettes und preiswertes B&B. Die anderen beiden Zimmer sind von zwei deutschen Paaren belegt, die gemeinsam durch Irland reisen. Sie haben sich in einem Kochforum kennengelernt und ihre gemeinsame Liebe zu Irland entdeckt, das beide Paare schon vorher mehrfach bereist haben. Jetzt machen sie schon ihre zweite gemeinsame Irlandreise. K. und E. sind mit guten Kameras ausgestattet und fotografieren, was das Zeug hält. E. hatte vorher nur "geknipst" und wurde von K. angesteckt. Sie war schon früh auf den Beinen, um bei Sonnenaufgang draußen zu sein.
Wir unterhalten uns bei Tee und Kaffee (den unsere Gastgeberin serviert hat) und essen auch gemeinsam zu Abend. Wir tauschen Mail-Adressen, weil E. und K. mir gern ein paar Fotos zusenden wollen. Da freue ich mich schon drauf!
Noch ein Guinness im Pub, den ich hier besonders gemütlich finde. Er spielte eine wichtige Rolle im Film "The Field", den ich mir endlich mal besorgen muss.
Tagesetappe: glatt 100 km.

10. Tag: Leenane - Achill Island

Beim Frühstück rücken wir fünf wieder zusammen und es wird eine kleine "Fotosession" meiner Abfahrt vereinbart, da ich ja für einen geplanten Bericht für ein Fahrradmagazin Fotos von mir brauche. Prima, da kommt mir die Fotoleidenschaft der Damen gerade recht. Die Fotos bekomme ich zugemailt. Hoffentlich sehe ich gut aus. Das Wetter gibt sein Bestes und spielt mit strahlendem Sonnenschein mit.
Dann folgt auch schon der Abschied. Für die Vier geht es nach Doolin im Süden, für mich nach Achill Island im Norden.
Im kleinen Markt decke ich mich mit Wasser und Zucker ein und los geht's. Aber, HIMMEL! Ich komme kaum voran, weil es hinter jeder Ecke immer wieder grandios aussieht. Ständig stoppe ich für Fotos, bis ich mich endlich zum Fahren zwinge. Sonst werden die Beine ja nie warm!!
Bei Louisburgh lasse ich die spektakulären Berge Connemaras hinter mir. Leider hat das Famine-Museum geschlossen. Famine ist eine Hungersnot und hier in Irland grassierte eine besonders schlimme Mitte des 19. Jahrhunderts. Mehr als eine Millionen Iren sind damals verhungert, als drei Jahre hintereinander die Kartoffelpest die Ernten verdarb. Viele wanderten nach Amerika aus, die Bevölkerung halbierte sich von acht auf vier Millionen. Der Drang zur Auswanderung ist seitdem ungebrochen und "the great famine" ist tief im Bewusstsein der Iren eingegraben.
Naja, dann eben Kaffee und Scone statt Museum und weiter geht's. Die Straße entlang der Clew Bay nach Westport ist recht stark befahren, aber dennoch gut zu meistern. Sie führt direkt am Croagh Patrick vorbei, dem heiligen Berg der Iren. Der Legende nach hat der Nationalheilige Patrick hier im 5. Jahrhundert vierzig Tage lang gefastet und bei der Gelegenheit auch manches Getier, wie zum Beispiel Schlangen, von der Insel vertrieben (die gibt es hier bis heute tatsächlich nicht). An jedem letzten Sonntag im Juli pilgern unzählige Iren auf den 764 Meter hohen Gipfel. Der Weg ist beschwerlich und so mancher pilgert sogar barfuß auf dem steinigen Weg. Auf jeden Fall sieht er beeindruckend aus und der volle Parkplatz am Besucherzentrum signalisiert, dass nicht alle auf den letzten Sonntag im Juli warten wollen.
Am Freiluft-Schrein einer Madonnenfigur (die heilige Maria ist hier 2006 sechs Kindern erschienen) wundere ich mich über die moderne Variante des Kerzenlicht-Anzündens. Man wirft eine Münze ein, drückt auf einer Art Schaltpult einen Knopf und schon erleuchtet per LED eine rote Lampe im Stil eines Kerzenlichts im roten Behälter. Sehr speziell, aber hier draußen wohl auch praktischer.
In Westport beherrscht gerade das "Food Festival" den zentralen Platz mit vielen kleinen Ständen rund um das Thema Essen. Von der Koch-Show über Marmeladen- und Imbiss-Ständen zu Bierständen und zurück. Die Stadt ist wie ein Oktagon reizvoll um diesen zentralen Platz aufgebaut. Acht Straßen ziehen hier wie ein Stern los. Leider wieder ziemlich voll, was durch das Fest sicher unterstützt wird. Ich versuche derweil einen Speicherchip für die Fotokamera zu finden, aber nirgends finde ich das passende Format. Es gibt nur noch SD-Karten. Na super! Dann hoffe ich auf Sligo ...
Große Freude! Ab Westport gibt es den Greenway, einen Rad- und Fußweg, der größtenteils auf der alten Bahntrasse der Western Railway verläuft. Der letzte Zug verkehrte hier 1937 und nun führt mich dieser Weg unbehelligt vom Straßenverkehr bis nach Achill Island. Wunderbar!! Und hier ist richtig was los! Viele Iren nutzen den Samstag für einen Ausflug, viele mit Kindern. Manche sehen dank der – eigentlich moderaten – Steigungen recht geschafft aus und wirken, als würden sie nicht oft auf dem Rad sitzen. Aber egal, der Anfang ist gemacht.
In Mulranny – dem Nadelöhr zu Achill Island – gönne ich mir im Greenway Café einen sensationell leckeren hausgemachten Rhabarber-Apel-Kuchen mit Cream und Icecream und einem Kaffee. Bombe, aber lecker!! Mit dem netten Wirt schwatze ich mich draußen fest. Als ich zum Zahlen wieder mit ihm reingehe, schmunzelt seine Frau eine Ermahnung, das Geschirr von den Tischen abzuräumen und murmelt gutgelaunt etwas von "immer das Gleiche".
Die Sonnen steht halbhoch im Westen und ich segele ihr entgegen. Herrlich! Bald ist der Achill Sound erreicht und über die 2009 neu errichtete Brücke erreiche ich schließlich Achill Island. Statt wie geplant nach Keel zu fahren, lasse ich mich zehn Kilometer vorher von einem Werbeschild "Mickeys Pub – food & accomodation" verlocken und fahre über einen Berg in einen kleinen Ort an der Küste. Zum Pub gehört ein Gästehaus mit schönen Zimmern, aber leider ist die Küche geschlossen und es gibt hier sonst kein Restaurant. Ich bin anscheinend der einzige Gast und die Gastgeberin serviert mir netterweise im Aufenthaltsraum lecker Toast mit reichlich Rührei, Bohnen und Tee. Perfekt!
Morgen ist Sonntag und Frühstück gibt es erst um neun Uhr. Ok, meinetwegen.
Tagesstrecke: 106 km, gut 900 Höhenmeter

11. Tag: Achill Island - Ballycastle

Und wieder werde ich mit Sonnenschein geweckt. Von meinem Zimmer blicke ich über schneeweiße Häuser auf grünem Grund zur blauen See. Herrrrrrrlich!
Zum Frühstück kommt noch ein Ehepaar mit seinem Sohn dazu. Ich bin also doch nicht der einzige Gast. Wie ich später bei einem Schwatz mit dem Vater erfahre, haben sie am Vortag einen Vertrag für ein Haus hier auf Achill unterschrieben und werden von Belfast hierherziehen. Ein großer Entschluss, aber sie tun es hauptsächlich für ihren Sohn (ich schätze ihn auf ca. zehn Jahre), der unter Autismus leidet. Sie versprechen sich hier eine bessere Umgebung für ihn.
Als ich bezahlen will, weigert sich meine Gastgeberin, mir das Abendessen von gestern zu berechnen. Sehr nett!! Bei der Gelegenheit erfahre ich, dass sie auch aus der Großstadt kommt und erst vor 16 Monaten von Dublin nach Achill gezogen ist. Sie wurde dort arbeitslos, hat ihr Haus verkauft und die Chance ergriffen, das Gästehaus zu leiten, das einem guten Freund gehört. Und es gefällt ihr gut hier im Dorf Dooega.
Ich mache mich auf den Weg zu den Klippen im Süden von Achill und natürlich muss ich mir das mit recht saftigen Anstiegen verdienen. Aber die Ausblicke sind wieder sensationell. Ständig will ich stoppen und Fotos machen! Ich komme kaum vorwärts, weil sich mit jeder Position auch die Ausblicke verändern.
Es bewölkt sich etwas und ich komme endlich aus dem Quark. Doch die nächste Station droht: das Castle von Grace O'Malley. Erzählte ich schon, dass die Piratin eine Zeitgenössin von Queen Elisabeth I. gewesen ist. Sie muss von großer Bedeutung gewesen sein, denn sie wurde sogar einmal von der Queen empfangen. Das Castle ist eigentlich nur ein Tower und sehr komfortabel kann es darin nicht zugegangen sein. Vielleicht war sie ja mehr auf See ...
Bevor ich Achill Island wieder verlasse, stoppe ich noch kurz am Supermarkt. Holla, hier ist aber ein Betrieb! Leute, es ist doch Sonntag!
Auf der anderen Seite der Brücke kämpfe ich kurz mit mir, ob ich die vor Achill liegende Corraun-Halbinsel wie gestern oben herum auf dem kürzeren Greenway zurückfahre, oder die Insel wie geplant unten herum umrunde. Der innere Schweinehund ist schnell besiegt und ich mache mich auf den längeren Weg.
Anscheinend kommen hier nicht viele her, es sieht alles sehr ursprünglich aus und Einkehrmöglichkeiten entdecke ich keine. Trotzdem eine schöne Tour und wieder ziemlich "hilly". Was mir aber auffällt ist die ungeheure Menge an verlassenen Cottages, die vernagelt oder schon als Ruine in der Gegend herumstehen. Gone to America?
Überhaupt, die typischen alten Cottages gibt es kaum noch. Ich habe bisher kein einziges gesehen, das noch heute bewohnt würde. Sie waren aber auch wirklich von allereinfachster Ausstattung und wer will heute schon noch so leben? Dunkel, vom Torfkamin verräuchert und mit nur einem Raum (meistens).
Auf dem Festland zurück schlage ich den Weg nach Norden ein. Zunächst geht wieder direkt an der See entlang, aber schon bald weiter im Inland. Die Landschaft ist typisch für das County Mayo. Man sieht sehr weit über recht flache Landschaft, die dem Wind wenig entgegenzusetzen hat, aber hügelig genug ist, mir ordentlich zuzusetzen. Ist es in diesem Land denn nie flach? Eine reizvolle Landschaft, geprägt von Mooren und entsprechenden Brauntönen. Fast überall wird Torf gestochen. Ist der eigentlich unendlich vorhanden?
Jedenfalls ist der Gegenwind stramm und die kommenden 70 Kilometer bieten wenig Abwechslung. Auch Ortschaften, und damit Einkehrmöglichkeiten, sind knapp. Aber immerhin habe ich an einer Tanke 1,50 Euro für den wohl schlechtesten Kaffee der Welt bezahlt. Wäre ich nur etwas weitergefahren! Dort gab es ein richtiges Café ...
Später stoppe ich noch einmal in einem kleinen Ort namens Bangor. Dort bekomme ich in einem Pub für zwei Euro einen minimal besseren Kaffe als vorhin an der Tanke und setze mich draußen an der Straße zu einem älteren Herrn, der auf den Bus wartet. Es war ganz offensichtlich wandern und tatsächlich, er hat gerade den im Hintergrunde liegenden Slieve Fyagh überquert. Er ist gestern in Newcastle gestartet und ist wohl gut und gern 60 Kilometer gelaufen. Respekt! Er meinte, der Berg sei recht schwierig gewesen, der alte Schäferpfad nicht in gutem Zustand. Übernachtet hat er in einem Wetterschutz, der zu einer Seite offen ist. Riesenrespekt!! Der Mann sieht aber auch drahtig aus, dabei hat er augenscheinlich die Siebzig schon deutlich überschritten! Sein Bus kommt und wir wünschen uns alles Gute.
In strahlendem Sonnenschein erreiche ich zwei Stunden später wieder die Küste und komme zu den Ausgrabungen von Céide (sprich Keidsche) Fields. Hier wurde eine steinzeitliche Siedlung entdeckt und ausgegraben. Ein Besucherzentrum informiert mit vielen Details und Ausstellungen. Leider ist es schon nach sechs und somit geschlossen, aber das macht nichts, da ich schon einmal drinnen gewesen bin. Dafür genieße ich jetzt den Ausblick auf die Steilküste.
Weiter geht es nach Ballycastle, wo ich zusammen mit Rainer schon vor 25 Jahren gewesen bin (schluck ...). Damals wohnten wir in einem kleinen Ferienhaus. Die Anlage gibt es auch immer noch, allerdings sind alle Häuser heute in Privatbesitz, wie ich später erfahre.
Statt besser scheint es Ballycastle heute eher schlechter zu gehen. Viele der alten Häuser im Ortskern stehen zum Verkauf oder sind vernagelt. Pubs gibt es nur noch zwei und ich entdecke kein B&B! Erst als ich durch den Ort durch bin, sehe ich einen Wegweiser und biege ab. Wunderbar, es gibt ein Zimmer für mich und Dusche/WC ist auch dabei. Das einzige Restaurant des Ortes ist nur bis sechs Uhr geöffnet und die beiden Pubs bieten kein "Food" an. Zu meinem großen Glück besteht meine Gastgeberin  darauf, mir etwas zu Essen zuzubereiten und ich bekomme so doch noch eine leckere, warme Mahlzeit und sogar einen kleinen Nachtisch. In den Pub gehe ich heute nicht mehr und schreibe stattdessen gemütlich bei einem Tee diese Zeilen hier. Gute Nacht!
Tagesetappe: 116 km, ca. 900 Höhenmeter.

12. Tag: Ballycastle - Bundoran

Schon wieder darf ich mein Abendessen von gestern nicht bezahlen. Dabei war es wirklich üppig! Meine Gastgeberin meinte, es seien einfach Reste von ihrem Mittagessen gewesen. Mir soll es recht sein.
Um kurz vor neun rolle ich vom Hof und möchte noch einen Abstecher zu den Klippen von Downpatrick Head unternehmen. Das ist nicht weit und der Weg beginnt direkt bei Ballycastle. Ich bringe allerdings das Kunststück fertig, mich ein wenig zu verfransen und fahre auf kleinen Umwegen dahin. Egal, der Weg ist schön und schließlich bin ich allein an der Steilküste. Das Besondere ist hier ein Stück Klippe, das völlig separat, wie ein Stück Torte, vor der Küste steht. Zwischen Festland und Torte ist der beachtliche Rest von der Zeit einfach weggespült worden. Als Norddeutscher sage ich "so'n büschen wie die Rote Anna auf Helgoland". Und auch hier ist der ungesicherte Abgrund wieder beachtlich und im Falle eines Fehltrittes ein Garant für den sicheren Tod. Ich bleibe auf Abstand ...
Statt der geplanten Hauptstraße folge ich ab hier lieber wieder Nebenstrecken, die auch tatsächlich zum Wild Atlantic Way gehören. Sie sind zwar nicht spektakulär, aber sie führen mich durch ein ruhiges, ländliches Irland mit vielen Farmen. Die Straße ist vielerorts noch von den Kühen gedüngt, die morgens auf die Weiden getrieben werden. Ich habe auf meiner Reise den Eindruck, dass die irischen Rinder tatsächlich viel Freiluft genießen und sehr viel Platz haben.
Die Strecke ist zwar zunächst sehr schön, allerdings beschert sie mir auch einige Extrakilometer, die mir am Ende des Tages ein wenig zusetzen werden. Und sagte ich schon, dass es wieder sehr hügelig ist?
Da die Landschaft zwar schön aber wenig spektakulär ist, schaffe ich doch einiges an Strecke. In Killala bewundere ich den Rundturm, der hier mitten in der Stadt (kleinen Stadt ...) seit bummelig 900 Jahren an Ort und Stelle steht. Diese Rundtürme sind eine irische Besonderheit. Die standen immer in Klöstern und dienten – wahrscheinlich – als Zuflucht und als Ausguck. Die Eingänge waren immer drei Meter über dem Boden und so konnte man sich vor den Angreifern in Sicherheit bringen (meistens Wikinger, die ja kein schweres Kriegsgerät dabei hatten). Dass die Türme, die wie Nadeln ca. 25 Meter in die Höhe ragen, statisch halten, ist mir immer wieder ein Rätsel. Und es gibt einige in Irland, meistens noch älter als dies hier.
In Ballina treffe ich zwei deutsche Radler, die in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind und mehr oder weniger eine Tour wiederholen, die sie schon einmal vor 25 Jahren gemacht haben. Wir weisen uns kurz den Weg und schon geht's weiter.
Einige Kilometer hinter Ballina komme ich in den Küstenort Inishcrone und wundere mich über ein riesiges Hotel am Ortseingang. Es folgen jede Menge B&Bs und einige andere Hotels. Anscheinend ein beliebter Urlaubsort in Irland. Diese Auswahl hätte ich mir gestern in Ballycastle gewünscht (aber ich hatte es ja gut getroffen). Jedenfalls hatte ich nie zuvor von Inishcrone gehört. Hier gönne ich mir einen guten Kaffee und einen leckeren Muffin. Bei dieser Gelegenheit stelle ich fest, dass die Batterie in dem am Hinterrad montierten Geber für das Navi leer ist. Naja, nicht so schlimm, die Geschwindigkeit zeigt es dann eben per Gps an und auf die Trittfrequenz kann ich hier verzichten.
Es geht, wie bisher, recht hügelig auf Nebenstrecken weiter. Unterwegs überhole ich ein radelndes Pärchen, grüße aber nur kurz und ziehe vorbei. Irgendwie war mir nicht nach schnacken.
Etwa 28 Kilometer vor der Stadt Sligo muss ich dann doch auf die Hauptstraße N59 und der Verkehr ist ziemlich nervig. Aber es hilft ja nix ... In Sligo habe ich bereits über 110 Kilometer auf der Uhr und bis zu meinem geplanten Tagesziel Ballyshannon sind es noch ca. 45 Kilometer. Na, mal sehen wie weit ich noch komme.
Auch jetzt muss ich die ziemlich belebte Hauptstraße N15 nehmen und hoffe, dass der Verkehr hinter Sligo dünner wird. Eine kleine Unterbrechung am Wegesrand ist in Drumcliff das Grab des irischen Schriftstellers William Butler Yeats. Ein kurzer Stopp und schon geht es weiter. Irgendetwas muss im letzten Muffin gewesen sein. Ich fliege geradezu auf der immer noch belebten Hauptstraße Richtung Norden und stoppe schließlich in Bundoran, ca. 11 Kilometer vor dem eigentlichen Tagesziel Ballyshannon. Bundoran ist ebenfalls ein beliebter Ferienort, aber jetzt ist wieder Schulzeit und deshalb Nebensaison. Außerdem ist es ein kleines Surferparadies. Und anscheinend auch für Angler gut, denn mein Neffe – ein begeisterter Angler – wird in drei Tagen mit einigen Freunden zum Angeln hierherkommen. Dann bin ich leider schon längst weiter.
Ich nehme ein Zimmer in einem Hotel und strecke die müden Glieder von mir.
Tagesstrecke: 146 km, ca. 1.000 Höhenmeter.

13. Tag: Bundoran - Glencolumbcille

Das Frühstück soll es heute erst gegen halb neun geben, aber ok, ich packe sowieso meist vorher und bin dann schnell startklar. Doch ach, als ich nach unten komme, ist im Hotel weit und breit niemand zu sehen. Mein "hello" bleibt unbeantwortet und ich bin etwas verunsichert. Habe ich etwas falsch verstanden? Im Restaurant stehen schon „Cereals“ für das Frühstück bereit, Müsli ist auch dabei. Fehlt nur noch die Milch. Ich taste mich vorsichtig in die Küche und schnappe mir aus dem Kühlschrank eine Flasche Milch und schwupp, kann mein Frühstück beginnen. Gerade als ich fertig bin und die Treppe nach oben gehe, kommt mir völlig zerknittert die junge Hotelmitarbeiterin von gestern Abend entgegen und entschuldigt sich vielmals. Sie hat verschlafen und möchte mir unbedingt ein Frühstück machen. Ich sage lächelnd "don't worry" und lehne dankend ab, weil ich sonst zu lange hier herumsitze. Fürchte ich jedenfalls ...
Die ersten Kilometer auf einer Regionalstraße nach Ballyshannon sind im Sauseschritt erledigt. Hier stoppe ich erstmal am Denkmal von Rory Gallagher. Der famose Blues-/Rockgitarrist wurde hier geboren, starb aber leider 1995 viel zu früh an den Folgen seiner Alkohol- und Medikamentensucht. Schön, wie die Iren ihn hier ehren.
Zunächst geht es auf wunderbaren Nebenstrecken weiter und immer wieder blicke ich auf den Atlantik. Die Landschaft ist hier saftig grün und oft sind Kühe oder Pferde auf den Weiden. Es ist nur leicht hügelig und so komme ich gut voran. Doch bald muss ich wieder auf die Hauptstraße, die sich aber trotz des strammen Verkehrs gut fahren lässt. Gegen Mittag erreiche ich schließlich die Stadt Donegal. Hier besuche ich Donegal Castle und gönne mir eine Besichtigung gegen Eintritt. Viel gibt es nicht zu sehen, bei meinem ersten Besuch 1989 war es eine Ruine. Alles was jetzt drinnen ist, wurde nachträglich im Zuge der Restaurierung hinzugefügt. Trotzdem hübsch.
Habe ich schon gesagt, wie herrlich die Sonne scheint? ☀️☀️☀️
Auf dem zentralen Platz der Stadt, dem sogenannten „Diamond“, genießen Einheimische die wärmenden und unerwarteten Sonnenstrahlen. Ich hole mir einen „Coffee to go“ und setze mich dazu.
Hinter Donegal ist dann Schluss mit lustig. Hier wird's wieder richtig hügelig. Puh! Die Straße ist recht stark befahren, gehört aber zum Wild Atlantic Way und tatsächlich gibt es keine richtige Alternative. Ich habe die Hoffnung, dass der Verkehr hinter Killybegs nachlässt. Bis dahin sind es 25 Kilometer rauf und runter. Tatsächlich lässt der Verkehr dann etwas nach, ist aber immer noch recht stark. Wahrscheinlich haben wir alle das gleiche Ziel, die Klippen von Slieve League. Tatsächlich ist mir wegen des Anstiegs schon etwas mulmig, aber was hilft's?
Die Beine schmerzen, das Herz schlägt bis zum Halse und einmal muss ich sogar kurz schieben, aber die Belohnung ist sensationell. Bei herrlichstem Wetter sehen die Klippen einfach "amazing" aus. Ich bleibe eine ganze Weile und lasse den Anblick auf mich wirken. Natürlich bin ich nicht allein, aber es hält sich in Grenzen. Inzwischen ist weiter unten ein provisorischer Parkplatz einreichtet worden und es wird wohl so eine Art Besucherzentrum gebaut. Prima, dann gibt's hier auch endlich ein Klo.
Oben gibt's einen Stand mit Woll- und Tweedsachen wie Sweater, Schals, Mützen, etc. und einen Eismann. Seltsamerweise scheint bei diesem Sonnenschein das Eisgeschäft deutlich besser zu gehen als das Wollgeschäft.
Nun heißt erstmal wieder sieben Kilometer zurück, zum Glück größtenteils bergab. Das ist dann immer eine schöne Belohnung. Heute lag der Rekord mit der Gepäckfuhre bei 61 km/h. In Carrick, dem Ausgangspunkt zu den Klippen, gönne ich mir noch einen 1-Euro-Kaffee im Pub und mache mich auf die letzten zwölf Kilometer zu meinem Tagesziel Glencolumbcille. Die Strecke ist nun tatsächlich merklich ruhiger, die Landschaft hat von saftig-grün inzwischen wieder auf moorig-braun umgeschaltet und in den einsamen Hochebenen (eben ist hier eigentlich nix) herrscht eine unglaubliche Ruhe. Nach der letzen Steigung höre ich nur meinen Puls und das Blöcken der Schafe, die hier völlig selbstverständlich auch die Straße für sich beanspruchen.
In strammer Abfahrt rolle ich nach Glencolumbcille, aber entgegen meiner Erwartungen wimmelt es hier nicht gerade von B&Bs. Ehrlich gesagt, ich sehe kein einziges. Ich frage eine Dame vom Museumsdorf, das sie gerade abschließt, und folge ihrer Empfehlung zum „Millstone B&B“. Das ist tatsächlich sehr schön und auch wieder preiswert. Ich habe noch immer kein anderes gesehen.
Die letzten Kilometer seit Donegal lassen mich in Sachen "Hügel" für die kommenden zwei Tage Fürchterliches ahnen. Ich komme so einfach nicht in Tritt, man stemmt sich kurz rauf und stürmt dann herunter. Der oft grobe irische Asphalt ist ebenfalls recht kräftezehrend. Aber, ich habe es ja so gewollt!
Heute war ein wunderbarer Tag!!
Tagesetappe: 104 km, 1.200 Höhenmeter.

14. Tag: Glencolumbcille - Dunfanaghy

Während ich um acht Uhr zum Frühstück erscheine (ich bemerkte schon am Vorabend, dass es meiner Gastgeberin etwas zu früh war), tobt nebenan die Vorbereitung für Schule und Beruf. Gegen halb zehn kommt dann auch der Schulbus auf den Hof gerollt und sammelte die Tochter des Hauses ein. Für einen Schwatz mit der Vermieterin bleibt trotzdem noch Zeit. Kurz bevor ich mit dem Frühstück durch bin, erscheint ein Ehepaar aus Konstanz, das seit einer Woche in Irland unterwegs ist und noch den ganzen Monat hierbleiben wird. Und sie kümmern sich nur um den Norden Irlands. Das nenne ich mal ausführlich!
Kurz danach kommt noch das Ehepaar aus Dublin hinzu, das ich gestern im Pub getroffen habe. Sie erkunden ein wenig ihr Heimatland.
Die ersten beiden Etappen heute sind sehr kurz. Erstmal Wasser im kleinen Geschäft einkaufen und dann zum Museumsdorf von Glencolumbcille. Es wurde in den fünfziger Jahren unter Leitung des damals neuen Pfarrers angelegt. Er hatte schon bei der Ankunft erkannt, dass seine Schäfchen kaum Einkunftsmöglichkeiten haben, und schuf dieses Dorf mit original rekonstruierten und ausgestatteten Cottages aus verschiedenen Jahrhunderten. Ein Pub mit Kramladen und eine Schule gehören auch dazu. Alles sehr hübsch gelegen und nett gemacht.
Als ich endlich loskomme ist es bestimmt schon elf Uhr. Und holla! Die ersten Kilometer haben es aber in sich. 26 Kilometer sind es bis Adara und bis dahin geht es wieder tüchtig rauf und runter, inklusive des Glengesh-Passes (keuch). Dafür gibt's auch wieder eine rauschende Abfahrt. Bei 65 km/h muss ich die Fuhre wieder einfangen, damit ich nicht in der nächsten Kurve zerbrösele. Das Rad ist mir sehr lieb und teuer, aber seine Bremsen sind ... naja, Schwamm drüber.
In Adara genieße ich einen richtig guten Illy-Kaffee in der Sonne und mache mich wieder auf den Weg. Das Großdorf hat sogar einen Preis als das lebenswerteste Dorf Irlands erhalten. 2011 oder 2012, glaube ich.
Warum nur habe ich gehofft, dass es hinter Adara mit dem Auf und Ab besser würde? Kurz gesagt, es wird nicht viel besser und der Wild Atlantic Way zeigte sich durchaus fordernd (für mich).
Gelegentlich nutze ich wieder Hauptstraßen, die hier oben aber überschaubar befahren sind. Als ich wieder auf die Nebenstrecke entlang der Küste abzweige, staune ich über die Zersiedelung hier. Ganz viele Häuser, auch nicht weit voneinander entfernt, und doch irgendwie versprengt, ohne dass ich einen Zusammenhang als Dorf oder Ort erkennen könnte. Aber Vieles ist recht neu, als wären die meisten Häuser hier in den letzen zehn Jahren in die Hänge gebaut worden.
Habe ich schon erzählt, dass heute wieder herrlicher Sonnenschein herrscht? In der Sonne ist das Weiß der Häuser so blendend, das Blau des Wassers so strahlend, dass ich mich schon frage, ob ich hier in der Ägäis gelandet bin.
Gleichzeitig ist diese Gegend recht abgelegen und die Wirtschaft meint es anscheinend nur verhalten gut mit ihr. Geschlossene Tankstellen, vernagelte Geschäfte, verlassene Häuser. Auf den nächsten Café-Hinweis kann man sich kaum verlassen. Wahrscheinlich existiert es nicht mehr.
Von den Anlegern in Bunbeg und Meenlaragh kann man nach Tory Island übersetzen. Das muss ich mir für ein anderes Mal aufheben. Dort wählen sie sogar einen eigenen Inselkönig! Wenn das Wetter umschlägt, kann man da aber auch schnell festhängen. Es soll dort noch wie vor vielen Jahren sein.
Und schon wieder Steinmauern, Steinmauern. Diesmal allerdings aus eher rundlichen Steinen mit viel Durchblick, aber kunstvoll und haltbar zusammengesetzt. Respekt!
Als ich in Gort an Choirce (hier ist wieder Gaeltacht-Gebiet) wieder an die Hauptstraße komme, wird die Landschaft wieder saftig-grün. Nun nur 18 hügelige Kilometer bis Dunfanaghy, meinem Tagesziel im Norden Donegals. Ein kleines Hotel kommt mir gerade recht. Morgen beginnt hier ein Jazz- und Folkfestival. Schade, dass ich dann schon wieder weg bin.
Beeindruckt hat mich unterwegs noch ein Quadfahrender Hund. Sein Herrchen hat hinten drauf einen offenen Behälter, in dem der mittelgroße und anscheinend völlig begeisterte Hund steht. Er wedelt während der Fahrt so heftig mit dem Schwanz, dass ich das sogar am Horizont erkennen kann, bevor er schlussendlich hinter der nächsten Bergkuppe verschwindet.
Tagesstrecke: 116 km, 1.550 Höhenmeter (stööööhn).

15. Tag: Dunfanaghy - Carndonagh

Start klassisch: Frühstück, Einkauf und los. Dunfanaghy gefällt mir gut. Schöne Lage an einer Bucht, recht viele Geschäfte, Galerien, Pubs, ... anscheinend ein beliebter Ort. Ich überlege noch, ob ich heute direkt nach Letterkenny – mein Tagesziel – fahre, oder doch die geplanten WAW-Extratouren fahre. Mit Extratouren wären es ca. 90 Kilometer, ohne nur 35. Das ist natürlich nix und ich könnte dann noch einmal schauen, wie weit ich komme.
Am entscheidenden Abzweiger ist der innere Schweinehund schnell bewältigt, da dies ja nun mal der WAW ist und die direkte Strecke nach Letterkenny außerdem recht stark befahren ist. Der Umweg ist dann aber doch nicht so spannend, da er auf der Karte zwar in weiten Teilen der Küste folgt, aber meist davon nichts zu sehen ist. Ich fahre oft in grünen Tunneln aus Hecken und Bäumen.
Den zweiten Schlenker spare ich mir und fahre nun nach Letterkenny. Der Verkehr ist wieder recht stark und ich rette mich für ein paar Kilometer auf eine sehr ruhige Nebenstrecke, werde aber sogleich mit ein paar Extrasteigungen abgestraft.
Da ich Letterkenny nach bummelig 60 Kilometern bereits gegen 13 Uhr erreiche, will ich natürlich noch weiter. Ich schau mal, wie weit es mich heute treibt.
Ab Letterkenny muss ich für recht lange Zeit der Hauptstraße nach Derry (Nordirland) folgen. Tosender Verkehr! Aber zum Glück gibt es einen breiten Seitenstreifen. Nach ca. 30 Kilometern zweigt die Strecke zu meinem Ersatzziel Buncrana ab. Hier wird's aber nur bedingt ruhiger. Dafür gibt es jetzt den Seitenstreifen nicht mehr.
Als ich in Buncrana ankomme, ist es auch erst kurz nach drei. Die Stadt ist recht hübsch und ich stoppe erst einmal an einem Pub, um mich in Ruhe mit mir zu beraten, wo ich heute übernachte. Ich bestelle mir – entgegen der Gewohnheiten zu dieser Tageszeit – ein kühles Bier und setze mich in die Sonne. Als ich meine Karte für die kommende Strecke neu zurechtfalten will, kommt ein Herr mit einem Glas Cola in der Hand über die Straße und setzt sich zu mir. Er heißt D., kommt aus dem County Clare und kümmert sich dort um ein Castle und verschiedene Sehenswürdigkeiten. Also Tourismus. Er ist mit dem Motorrad hier (oder was man so nennt ...)  und besucht seine Cousine, die sich mit farbverschmierten Händen zu uns setzt. Sie malt nämlich gerade einen riesigen Pokal auf das Fenster des Pubs, vor dem wir sitzen. Sie leitet das Famine-Museumsdorf auf der Doagh-Halbinsel, nicht weit entfernt von meinem finalen Ziel Malin Head, das ich morgen erreichen werde.
Sie meint, ich müsste es unbedingt besuchen, aber ich bin unsicher, ob ich es schaffe, weil ich noch nach Derry kommen muss, um am Samstag per Bus/Bahn nach Dublin zu fahren. Schwupps erwähnt sie, dass doch auch zweimal am Tag ein Bus vom nahegelegenen Carndonagh nach Dublin fährt und sie recherchiert, noch ehe ich mich versehe, den genauen Abfahrtsort und die Zeiten. Wunderbar! Dann kann ich den Tag morgen hier in aller Ruhe angehen, besuche Malin Head, dann das Famine-Museum und habe richtig Luft. Am besten übernachte ich dann gleich zweimal in Carndonagh, weil das gut für beide Punkte liegt, und dort ja auch der Bus abfährt. Ich plane innerlich die Abfahrt um sieben Uhr statt der um 16 Uhr. Dann habe ich am Samstag noch was von Dublin.
Abschied, see you tomorrow und los geht's.
In der Stadt verliere ich kurz den Faden und frage einen Fußgänger. Die Erklärung ist liebenswürdig, sehr ausführlich und hilfreich. Zur Vergewisserung, dass ich auch alles verstanden habe, bekomme ich den Weg sicherlich viermal erklärt. So kann dann auch nichts mehr schiefgehen!
Über Berg und Tal geht es nun die letzten 20 Kilometer nach Carndonagh. Schöne Aussichten, gelegentliches Keuchen, rauschende Abfahrten. Apropos! Mein heutiger Rekord hätte 70 km/h werden können. Aber bei 69 muss ich mich auf den kommenden Kreisverkehr einstellen. Schade ...
In Carndonagh fahre ich erst einmal in das Zentrum, um zu schauen, ob es dort vielleicht ein kleines Hotel gibt. B&Bs habe ich bei der Einfahrt nicht gesehen. Schon von Weitem hat mich die riesige Kirche beeindruckt, aber im kleinen und hübschen Zentrum ist keine Unterkunft zu sehen. Im Donagh Café gönne ich mir eine Tasse guten Kaffee und ein Stück Karottenkuchen. Die Dame im Café frage ich nach einer Unterkunft, aber sie kennt nur ein B&B ca. zwei Kilometer außerhalb. Naja, dann fahre ich da mal hin. Das Angebot hätte ich mir üppiger vorgestellt ...
Die Café-Dame klingt nicht sehr irisch und tatsächlich kommt sie aus Frankreich. Sie lebt schon seit 20 Jahren hier und war als Lehrerin in Derry beschäftigt. Ihre Schule wurde geschlossen und sie arbeitslos. Vor drei Jahren übernahm ihr ebenfalls französischer Lebenspartner das Café und nun hilft sie hier aus und hofft auf eine neue Anstellung als Lehrerin. Irgendwo, irgendwann ...
Nun erst mal zum B&B und die Unterkunft für zwei Nächte klar gemacht. Aber Pustekuchen, es gibt nur ein – sehr schönes – Zimmer für eine Nacht. Morgen ist sie ausgebucht. Mist! Na, dann muss ich morgen mal schauen. Mit dem Sieben-Uhr-Bus könnte jetzt aber schwierig werden, da ich ja auf jeden Fall eine längere Anfahrt haben werde.
Entgegen meiner Gewohnheiten will ich jetzt noch nicht duschen, sondern zunächst in den Ort zurück, um dort Dinner zu haben. Meine Gastgeberin gibt zwei Empfehlungen und nun sitze ich hier im Simpsons-Pub und -Restaurant. Duschen kann ich dann gleich.
Morgen ist Zieleinlauf! Dann ist die offizielle WAW-Strecke von Kinsale nach Malin Head geschafft!!
Tagesstrecke: 124 Kilometer. 1.138 Höhenmeter.

16. Tag: Carndonagh - Malin

Gestern Abend hatte ich Glück! Das einzige B&B im Umfeld von Carndonagh hatte noch ein letztes Zimmer für mich. Allerdings nicht im "Haupthaus", das wohl nur als Gästehaus genutzt wird, sondern vorne im Haus der Familie. Sah gemütlich aus, überall lag etwas herum und meine Gastgeberin schaufelte diverse Schuhe und andere Dinge des täglichen Lebens auf dem Weg zu meinem Zimmer beiseite.
Zum Frühstück muss ich dann in das andere Haus und – obwohl zu früher Stunde um acht Uhr – ich war nicht der Erste. Ein Paar aus Nottingham, England (ich sag nur: Robin Hood ist der, den ich haben muss!) sitzt schon am Tisch sowie zwei Lehrer aus Andalusien, die mit ihrer Schulklasse zum Austausch für eine Woche hier sind. Kurz danach kommt noch ein Paar aus der Schweiz dazu und eines aus den USA, aus Colorado. Die beiden sind seit fünf (!) Monaten mit dem Fahrrad in Europa unterwegs, aber nicht „husch-husch“, sondern immer sehr ausführlich in einer Region, zum Beispiel einen Monat auf Sizilien, einen auf Sardinien und so weiter. In Irland sind sie hängengeblieben, obwohl sie schon längst in Schottland sein wollten. Alle schwatzen miteinander und das Frühstück dauert wieder viel länger, als geplant.
Gegen zehn Uhr bin ich dann endlich auf der Straße. Der Weg zum finalen Abschluss meiner Reise, nach Malin Head, ist nicht sonderlich weit, nur gut 20 Kilometer. Gegen halb zwölf komme ich an! Nach gut 1.650 Kilometern und knapp 15.000 Höhenmetern ist es geschafft. Ich bin den Wild Atlantic Way gefahren!!
Malin Head ist der nördlichste Punkt Irlands und bietet wieder einen wunderbaren Ausblick auf die schroffe Atlantikküste. Trotzdem ist es hier oben recht unspektakulär. Ein Parkplatz, eine „mobile“ Souvenirverkäuferin, ein Eiswagen (noch unbesetzt), aber kein Schild, das auf diesen finalen End- bzw. Startpunkt des Wild Atlantic Way hinweisen würde. Mir soll's recht sein.
Eine Truppe Tupperdosen-Fahrer (warum sehen diese Wohnmobile bloß alle so sch ... aus? Gibt's die auch in hübsch und in Farbe?) aus Frankreich hat mich schon überholt. Die sehe ich seit Tagen immer wieder, was bedeutet, dass ich entweder recht schnell bin, oder die sich viel Zeit nehmen. Jedenfalls treffen wir uns seit Killybegs, kurz hinter Donegal, immer wieder.
Bald sind auch die ersten Radfahrer dort und es ergibt sich immer wieder der ein oder andere Schwatz. Auch die beiden Amerikaner aus meiner Unterkunft kommen an.
Spät, aber immerhin, kommt dann der Wagen von Banba-Coffee an. Er wurde schon von der Vermieterin mit dem Hinweis erwähnt, dass er einen wunderbaren Kaffee anbieten würde. Als D. – so heißt der Kaffeeheld – die Seiten seines Wagens öffnet, staune ich nicht schlecht. Das ist wirklich ein rollender Kaffee-Automat der besten Sorte. Alles sieht professionell und überhaupt ziemlich "shiny" aus. So etwas habe ich noch nie gesehen und tatsächlich ist das Auto eine Sonderanfertigung. Er steht in der Saison immer hier oben und verdient hoffnungsvoller Weise genug Geld damit. Wunderbar! Hoffentlich bauen sie hier nicht zu bald ein Besucherzentrum. Das wäre wohl das Banba-Ende hier oben. Obwohl, dann gäbe es wenigstens ein Klo ... (weit und breit kein Strauch und kein Baum. Nur Klippen und weites Gras ...).
Ich bin bestimmt über zwei Stunden hier oben und will mich nun wieder auf den Weg machen, um mir möglichst in Malin eine Unterkunft zu suchen. Als ich in Malin ankomme, rauscht gerade ein großer Trupp Rennradfahrer unter polizeilicher Begleitung im Ort ein. Sie haben ebenfalls den WAW abgeradelt, sind aber von Mizen Head gestartet und recht direkt gefahren. Das sind dann gut 1.000 Kilometer weniger als bei mir. Soweit ich verstanden habe, ist es eine Charity-Tour von Polizeiverbänden aus der Republik Irland und Nordirland.
Ein B&B ist bei der freundlichen M. direkt im Zentrum gefunden. Die flotte Dame – ich schätze sie auf Anfang/Mitte sechzig – kommt gerade von einem Urlaub mit ihrer Tochter und den Enkeln aus Spanien zurück und lässt erkennen, dass sie eigentlich noch nicht so gerne "Granny" ist. Sie hätte lieber ebenfalls in der Sonne gelegen, statt mit den Enkeln herumzuturnen.
Ich lade nur kurz ein wenig Gepäck ab und mache mich auf den Weg zum Famine-Village, das man mir gestern so ans Herz gelegt hat. Es sind ca. 25 hügelige (was sonst) Kilometer und das Village ist tatsächlich sehr spannend. Um die große Hungersnot (Famine) geht es zwar nur teilweise, aber es ist dennoch anders als die üblichen Museumsdörfer. In einem der Häuser spricht mich P. an, der das Ganze hier leitet. Das Museumsdorf entstand auf dem Hof seiner Eltern und in einem der Cottages hat er noch bis 1984 gewohnt! Das erscheint mir wie aus einer anderen Welt, denn ich schätze, dass P. in meinem Alter ist.
Aufregend ist das sogenannte Security-House. Es ist ein Nachbau der von Republikanern genutzten Häuser, die einem während der Troubles Zuflucht vor den englischen Häschern boten. Mehrere Häuser waren unsichtbar miteinander verbunden. Hinter Kaminen, Schränken und Ähnlichem verbargen sich versteckte Durchgänge. Insgesamt sieben Räume sind hier wie ein Labyrinth miteinander verschachtelt.
Seinen Ausführungen kann ich allerdings nur schwer und mit einiger Konzentration folgen. Er spricht schnell und auch einen Dialekt.
Große Aufregung herrscht, weil der irische Präsident in der Nähe ein restauriertes Castle einweiht. Auf der Zufahrt zum Famine-Village steht auch die Polizei. Als ich mich auf den Weg zur Burg mache, ist der ganze Spuk aber schon vorbei. Das Castle erweist sich dann auch ziemlich mini und ich staune, dass der Präsident dafür hierher kommt.
Am Castle spricht mich ein älterer Herr im Anzug an, der wohl der Zeremonie beigewohnt hat und vielleicht ein (Lokal?)-Politiker ist. Er erzählt mir einige Anekdoten, bei deren Finale er in schallendes Lachen ausbricht. Leider verstehe ich die Pointen nicht, mime aber mitlachendes Verständnis, um ihm nicht umständliche Erklärungen abringen zu müssen.
Zurück in Carndonagh gönne ich mir noch einen Kaffee und staune, was sich auf der Straße abspielt. Junge Damen steigen ziemlich aufgedonnert in Kleinbusse und Luxuslimousinen, die anscheinend gemietet sind. Aus allen Richtungen kommen sie an und brausen weiter. Ich erfahre etwas über ein "Formal" (wohl so eine Art Abschluss-/Zwischenfeier zur Schule) und dass die Feier im Malin-Hotel stattfindet. Also zwei Haustüren neben meinem B&B! Und tatsächlich, als ich in Malin einrolle, tummelt sich schon viel junges Volk auf dem Rasen im Zentrum vor dem Hotel. Das wird bestimmt keine ruhige Nacht ...
Im Malin-Hotel wollte ich eigentlich essen, da es hier sonst nichts gibt. Man erklärt mir im Hotel, dass das Restaurant heute wegen der Feier geschlossen sei, aber ich könne das gleiche Menu wie die Gruppe bekommen. Prima, das nehme ich gerne an und es gibt erstaunlich leckeren Rinderbraten, der mich an Deutschland erinnert. Tatsächlich erfahre ich später, dass der Küchenchef aus Deutschland kommt.
So, nun muss ich in die Falle und hoffe auf eine ruhige Nacht. Morgen muss ich früh hoch. Mein Bus fährt um 7.15 Uhr ab Carndonagh nach Dublin und damit endet meine Radreise auf dem Wild Atlantic Way.
Tagesstrecke: 73 Kilometer, ca. 600 Höhenmeter.