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Reisebericht: Motorradreise durch England

geschrieben von Carsten Okkens (2015)

 

1. Tag Hamburg - Hoek van Holland

Das Motorrad ist sparsam gepackt, der Tank ist voll, die Reifendruck geprüft und los geht's. Knapp 500km sind es zum Hafen in Hoek van Holland. Die Fahrt auf der Autobahn ist erwartungsgemäß langweilig, aber mit einigen (Tankstellen-) Stopps geht es. In Holland kommt Regen und viiiiel Feierabendverkehr dazu. Aber ich erreiche die STENA-Fähre wie geplant mit gut Luft und kann in Ruhe einchecken. Ein junger Engländer, Jaqes, der gerade von einer dreiwöchigen Skandinavientour zurückkommt, hilft mir beim Verzurren des Motorrades. Wir zurren vielleicht beide etwas übertrieben, aber wie sagt er so schön: "Better safe than sorry." Ihm ist nämlich schon einmal ein Motorrad bei Sturm umgekippt. Das muss übel ausgesehen haben, denn es rutscht dann ja auch noch hin und her.
Der stramme Wind im Hafen hat mal wieder getäuscht. Die Überfahrt ist zu meiner großen Erleichterung völlig ruhig.
Zum Essen gehe ich ins Selbstbedienungsrestaurant. Über die Qualität sprechen wir jetzt lieber nicht. Aber der Salat ist sehr ok.
Zurück in die Kabine und ab in die Koje. Leider lässt dich die tosende Klimaanlage nicht abschalten, dafür aber in der Temperatur regeln.
Probiere noch den Fernseher in der Kabine aus. Prima, die Lautstärke ist limitiert, damit die Nachbarkabinen nicht belästigt werden. Leider reicht die erzielbare Lautstärke aber nicht aus, um der entfesselt lärmenden Klimaanlage paroli zu bieten.
Egal, England, ich komme!

2. Tag Harwich - Old Hunstanton

Zugegeben, der Plan ist für heute stramm, aber es könnte klappen. Als mein Wecker um 5h englischer Zeit anspringt, liegt die Fähre schon im Hafen. Der allgemeine Weckruf ertönt dann um 5.30h. Auf das Frühstück verzichte ich und gönne mir stattdessen einen Tee in der Kabine.
Beim Entfesseln der Motorräder gibt Jaqes mir seine Telefonnummer, damit er mir ggf. Tipps für unterwegs aufgeben kann, wenn ich mich melde. Abschied und los geht's! Im Hafen Passkontrolle (Großbritannien gehört nicht zum Schengen-Abkommen) und ich steuere meine erste Station Colchester an. Das "Chester" deutet an, dass der Ort aus einer römischen Siedlung/Festung hervorgegangen ist. Im Zentrum steht eine eindrucksvolle normanische Burgruine. Einige römische Restmauern sind ebenfalls in der Stadt vorhanden. Es ist noch sehr früh und die Stadt noch verschlafen. Endlich finde ich ein Cafe für einen ebensolchen und einen kleinen Snack als Frühstück.
Nächste Station: Lavenham. In dem wirklich kleinen Städtchen stehen mehr als 300 Häuser unter Denkmalschutz! Alles scheint mittelalterlich krumm und schief zu stehen. Sehr hübsch, sehr sympathisch. Ein Gespräch mit einem Lkw-Fahrer fordert meine Englischkenntnisse ganz schön. Er spricht mich wegen des Motorrades an und erzählt, dass er schon bei einem Freund im Black Forrest war. Ich muss mich wohl erst einhören ...
Ich las, das der Küstenort Southwold sehr hübsch sein soll und ihm mangels Bahnanschluss das lichtflackernde "Brighton-Schicksal" erspart blieb. Tatsächlich ganz hübsch, allerdings lässt mich der mal wieder aufkommende Regen schnell das Weite suchen.
Auf dem Weg nach Aylsham, hier möchte ich das In der Nähe liegende Anwesen Blickling Hall besuchen, lockt bei jetzt herrlichem Sonnenschein eine Tee- & Kuchenpause in  Coltishall am Fluss Bure. Scheinbar kann man auf dem Fluss Kabinenkreuzer (Hausboote) buchen. Hier liegen jedenfalls ein paar.
Aylsham ist wirklich hübsch! Alles so schön alt hier in England...   Aber  ich will ja zur Blickling Hall. Anne Boylin, die Mutter Elisabeth I. Und zweite Gemahlin Heinrichs VIII. verbrachte hier ihre Kindheit. Die heutige, sehr hübsche Gestalt bekam die einstige Burg aber weitgehend im 17.Jh. Das Wetter passt, die Anlage sieht großartig aus und die den Park flankierenden, riesigen Eibenhecken würden heute wohl ein Vermögen kosten.
Langsam läuft mir die Zeit davon! Ich will doch noch an die Nordsee und dort die Küstenstraße entlang fahren. Und zur Kathedrale in Ely und nach Cambridge wollte ich auch noch! Ich glaube, irgendwie macht sich doch langsam das Alter bemerkbar. In dem Maße wie sich der Tank leert, scheint sich meine Blase zu füllen. Himmel, ich muss schon wieder! Und wo ist bloß die nächste Tanke?
Die Küste erreiche ich aufgetankt, und somit im doppelten Sinne erleichtert, bei Cromer. Sheringham ist ein beliebter Ferienort, aber wirklich hübsch. Auch jetzt, wo die Ferien zu Ende sind, ist hier noch recht viel Betrieb.
Die Straße entlang der Küste ist wirklich traumhaft schön. Schön kurvig, recht schmal und wenig befahren. Sehr gut! Kleine Dörfer säumen den Weg und ich muss bei einsetzender Dämmerung langsam einsehen, dass ich heute weder Ely noch Cambridge erreiche. Ein sehr schönes Quartier finde ich in Old Hunstanton. Nicht ganz billig, aber so ist England eben. Ely und Cambridge dann eben morgen. Vielleicht auch besser so. Die heutigen rund 350 Kilometer fuhr ich fast ausschließlich auf Nebenstraßen. Bin ziemlich platt. Essen in meinem Hotel, der "Lodge", wo es auch leckeres lokales Bier gibt. Wie früher, ohne Kohlensäure. Kann von meinem Zimmer das Meer sehen. Wunderbar!

3. Tag Old Hunstanton - Cambridge

Heute habe ich keine so weite Strecke vor mir, eigentlich nur das, was ich gestern nicht geschafft habe. Und es soll sich zeigen, dass das locker für einen Tag reicht.
Nach einem leckeren Frühstück drehe ich erst noch eine kleine Runde durch den Ort, der wunderbar an der Küste liegt, aber überhaupt nichts mit dem üblichen englischen Bäderkitsch zu tun hat. Einfach ein gemütliches Dorf am Strand, welches in eine kleine Steilküste übergeht. Einige Familien tummeln sich in den Dünen, Spaziergänger mit und ohne Hund sind am Strand unterwegs.
Sogar ein Best Western Hotel gibt es hier in direkter Lage zum Wasser.
Meine erste richtige Station soll Sandringham House sein. Der Begriff "Haus" ist ein wenig unangebracht. Kleines Schloss trifft es vielleicht besser. Ein früherer Prinz of Wales hat es zu seiner Hochzeit geschenkt bekommen und es sodann noch tüchtig erweitert. Eine riesige Parklandschaft und eine eigene kleine Kirche (Magdalen's Church) gehören zum Anwesen. Das Innere stammt im Wesentlichen aus den letzten 200 Jahren. Modernes ist für mein Auge nicht zu entdecken. Die Queen pflegt hier mit der Familie das Weihnachtsfest zu feiern.
Weiter geht es durch die topfebene Landschaft der Fens nach Ely. Hier möchte ich unbedingt die Kathedrale besuchen, die zu den größten des Landes zählt und bereits aus normannischer Zeit stammt.
Eine kleiner Vorteil macht sich mit dem Motorrad bei der Parkplatzsuche bemerkbar: man parkt eigentlich immer vor dem Objekt der Begierde. Sehr praktisch! Nachteil: die Besichtigungen in den Motorradklamotten und des Geschleppe des Tankrucksacks und manchmal auch des Helmes. Was tut man nicht alles ...
Die Kathedrale ist tatsächlich großartig. Im wahrsten Sinne des Wortes herausragend ist das Oktagon. Nach dem Einsturz des normannischen Turms wurde es im 14. Jahrhundert neu errichtet. Der achteckige Turm ist im oberen Teil verglast und mit vielen Gemälden mit biblischen Szenen ausgestattet. Definitiv ein architektonisches Meisterwerk!
Das Stadtzentrum passt dazu und direkt an die Kirche grenzt das größte, heute noch vollständig genutzte Gebäudeensemble Europas aus dem Mittelalter.
Nach einer Stärkung mit Cafe Americano geht es zum Tagesziel Cambridge, das ich am Nachmittag erreiche. Die Unterkunft ist ein B&B am Rande des Zentrums und schwankt zwischen geht so und naja. Der Besitzer ist griechischer Zypriote und lebt seit 50 Jahren in England.
Ins Zentrum laufe ich am Fluss Cam entlang. Einige der berühmten Stakenkähne sind unterwegs. Ausmanövrierte Hausboote - diese sehr schmale Kanalboote - liegen in meist unansehnlichem Zustand am Ufer, sind aber bewohnt. Wahrscheinlich ein alternatives Wohnmodell einiger Studenten.
Das Zentrum mit seinen Colleges wirkt wie aus einem Film. Genauso habe ich mir das vorgestellt. Sehr schön: Autos - außer Taxis - dürfen nicht in Zentrum. Es wird sehr viel geradelt und als Kontinental-Europäer mit anderen Blickgewohnheiten stoße ich beim Überqueren der Straße fast mit einem Radfahrer zusammen.
Auf dem Rückweg kehre ich zum Dinner in ein Lokal ein und probiere mutig Fish & Ships sowie eine Vorsuppe. Alles ist - nicht nur für englische Verhältnisse - so überraschend gut, dass ich sogar noch einen Nachtisch verputze. Puh, bin ich satt...

4. Tag Cambridge - Old Amersham

Da das Wetter direkte Sonneneinstrahlung vermeidet, gehe ich heute nicht mehr in die Stadt sondern mache mich gleich nach dem Frühstück auf den Weg. Die erste Station für heute ist gute 100 Kilometer entfernt: Blenheim Palace, das größte Schloss Englands, dass nicht den Monarchen gehört. Winston Churchill ist ein Spross der Familie, hier geboren (2 Monate zu früh, während eines großen Festes) und aufgewachsen.
Ich habe doppelt Glück! In zwei Tagen soll hier eine Art Ausstellung exklusiver Autos stattfinden. Die Teilnehmer reisen teilweise schon jetzt an (scheinbar wohnen sie auch hier) und so sammelt sich ein stattliches Vermögen aus Stahl, Blech, Leder und mehr vor dem Palast. Neu und alt, wobei neu überwiegt. Ferrari (bei 30 habe ich aufgehört zu zählen), Lamborghini, Bugatti, Bentley, Rolls Royce, Jensen, Morgan, Porsche (zwei 918), Tesla, MacLaren und ein Citroen SM ... mehr bekomme ich nicht mehr zusammen. Herrlich!!
Ach ja, der Palast. Fast hätte ich den ... also ich muss schon sagen. Beeindruckend groß, nein riesig!! Wie muss Klein-Winston sich hier bloß gefühlt haben. Seine Kindheit soll indes nicht sehr glücklich gewesen sein. Die Teilnahme am Burenkrieg und am 1. Weltkrieg (der hier in England wie früher bei uns auch "The great war" heisst) und die Erziehung seiner Großmutter haben ihn für die kommenden Aufgaben und das Durchhaltevermögen im Kampf gegen Hitler-Deutschland geprägt.
Um mich ganz kurz wie Klein-Winston zu fühlen, nehme ich den Tee auf der Terrasse und lasse den Blick über den Park schweifen. Mit sieben Pfund fünfundneunzig war ich inklusive Suppe dabei. Ein Schnäppchen für den Ausblick...
Nicht sehr weit ist es nach Oxford. Ich muss allerdings gestehen, dass mich die wuseligen und staugeprägten Einfahrten in die Städte ein wenig nerven. Zum Glück kann man ja mit dem Motorrad am Stau vorbei ...
Oxford empfängt mich regnerisch, aber kaum bin ich Sack und Plünnen los, hört der Regen auf und ich stehe im Thermo-Stau! Ok, jetzt einfach durchhalten. Soll ja nur ein kleiner Spaziergang werden.
Oxford beeindruckt! Größer und noch eleganter als Cambridge wirken die aus einheitlichem Sandstein gebauten Gebäude der Colleges.
In der überdachten Markthalle mit ihren vielen Geschäften gönne ich mir einen Cafe und ... dann verlaufe ich mich. Ich Dödel habe mir nicht gemerkt, wo ich das Motorrad abgestellt hatte. Manchmal mache ich mich selbst fassungslos. Natürlich hatte ich die Stelle vor Augen, mir aber keinen Straßennamen gemerkt, konnte also auch nicht fragen. Leicht verschwitzt und nach diversen Umwegen habe ich es dann doch gefunden. Die folgende Aufgabe hieß dann, aus dem Labyrinth Oxford wieder herauszufinden. Hin und her, kreuz und quer ... war etwas schwer. Als Tagesziel habe ich das nur noch ca. 25 Kilometer entfernte Amersham auf dem Plan. Als kleiner Fan der Rutherford-Miss Marple-Filme las ich, dass hier und im nahem Denham diverse Szenen gedreht wurden. Unter anderem am Kings Arms Hotel, wo ich heute dann auch übernachte :-). Morgen geht's nach Windsor Castle!

5. Tag Old Amersham - Winchelsea

Noch vor dem Frühstück muss ein kleiner Spaziergang durch Old Amersham sein. Bei frischem Tageslicht scheint es noch hübscher. Auf kleiner "Miss Marple-Tour" habe ich dann auch noch das Gebäude entdeckt, dass als Kuratorium in "Mörder Ahoi" diente.
Nach dem Frühstück "erwischt" mich der Direktor des Hotels bei der Kettenpflege auf dem Hof und entlarvt mich als Hamburger. Er hat vor gut 30 Jahren selbst als Junge in Hamburg gewohnt und spricht immer noch sensationell gut deutsch (hat er neben französisch auch studiert). Ich erfahre, dass zweimal im Jahr eine Miss Marple-Gruppe im Hotel zu Gast ist.
Die Nächste Station ist ebenfalls Miss Marple gewidmet: Denham Village. Hier steht "ihr" Cottage, das aber nur den Außenaufnahmen diente. Die Innenaufnahmen sind im Studio entstanden. Auch das Kleidungsgeschäft aus "Mörder Ahoi" ist noch da und heute eine Galerie. Und die Kirche ... so, genug MP für heute :-) Jetzt kommt die Queen! Windsor Castle ist nicht weit und muss natürlich besucht werden. Erstaunlicherweise bin ich dort nicht allein...
Das wirklich imposante Castle steht hier seit 1080 und wurde natürlich immer wieder verändert und erweitert. Drinnen mutet es wenig mittelalterlich an, dafür so prunkvoll! So viele historische Waffen, Porzellan, Gemälde - viele aus dem 16. Jahrhundert - und natürlich auch historisches Möbilar. Ein wirklich lohnender Besuch, trotz des gepfefferten Eintritts. Äh, ... die Queen war übrigens nicht da.
Jetzt möchte ich weiter in den Südosten des Landes. Damit ich das Umfeld des Molochs London möglichst schnell hinter mir lasse, nehme ich ein längeres Stückchen Autobahn unter die Räder. Leeds Castle möchte ich mir gerne ansehen und es liegt gut am Weg. Beim Eintritt bleibt mir aber doch die Spucke weg und ich streike. 24 britische Pfund! Schon wieder! Nö, dann trinke ich eben Kaffee!
Stattdessen nehme ich Bodiam Castle ins Visier. Der Eintritt ist mit 8 Pfund angemessen, nur nützt mir das nichts, weil ich erst kurz nach fünf Uhr dort ankomme und es schon geschlossen ist. Nicht mein Tag...
Dann eben Rye! Der Ort soll sehr malerisch sein und ich denke, dort könnte ich auch gut übernachten. Die angesteuerten beiden B&B's sind belegt und auf der weiteren Suche biege ich falsch ab und bin auf einmal wieder draußen. Aber die Straße ist so toll (endlich), dass ich nicht umkehren kann!! Eine Traumstrecke, und tatsächlich kommen mir auch einige einheimische Motorradfahrer entgegen, die das wohl auch so sehen. Aber, ach du Schreck, schon wieder kaum noch Sprit im Tank. Und das hier in der Pampa. Aber Navi sei dank, klappt der zweite Anlauf und ich kann beruhigt weiter nach einem Quartier suchen. Rye liegt jetzt schon ein ganzes Stück hinter mir. Dafür rolle ich nun durch Hastings. Die Stadt ist jedem Engländer bekannt, denn hier schlug im Jahre 1066 der Normannenkönig William mit seiner Armee den letzten angelsächsischen König Harald. Seither ist England nie wieder erobert worden.
Ingesamt macht Hastings auf mich einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Aber wie gesagt, ich bin ja nur durchgerollt.
Mein Quartier beziehe ich an der Landstraße zwischen Hastings und Rye, bei Winchselsea. Übrigens ein schönes Stück Straße, das sich hier nahe der Küste schlängelt. Die "Lodge" ist so naja, dafür preislich noch halbwegs ok (hier ist alles so viel teurer als z.B. in Irland. Die Kaufkraft eines britischen Pfunds entspricht gefühlt der eines Euros). Dafür ist das Essen im modernen Restaurant wieder wirklich gut und der Hotelmanager entpuppt sich als Theaterregisseur, der auch schon als Schauspieler ein halbes Jahr in Hamburg gastiert hat. Allerdings vor fünfundzwanzig Jahren ... wie das Leben manchmal so spielt. Damals wollte er Shakespeare auf die Hamburger Bühnen bringen. Vielleicht macht er jetzt einen neuen Anlauf.
Langsam zieht es mich nun nach Westen! Mal sehen, wie weit ich morgen komme. Gute Nacht!

6. Tag Winchelsea - Portsmouth

Heute ist im Übernachtungspreis nur ein kontinentales Frühstück enthalten. Soll mir recht sein, so bin ich nicht in Versuchung schon wieder die Kalorien- und Cholesterinbombe "Full English Breakfast" zu vertilgen. Es schmeckt mir halt so gut (auf Reisen) ...
Da ich ja an der Landstraße bei Winchelsea eingekehrt bin, will ich dort jetzt kurz noch hin. Waren nicht mal 500 Meter! Der kleine Ort - die kleinste Stadt Englands - ist wirklich wie aus einer anderen Zeit. Die letzten größeren baulichen Veränderungen müssen 200 Jahre her sein. Im Mittelalter lebten hier gut 4000 Menschen, heute ca. 560. So erfahre ich jedenfalls von einer netten Dame im Rentenalter, die ich in der St. Thomas Kirche antreffe. Dort sind gerade Tische für ein Gemeindefest aufgestellt. Es wird eine Art Flohmarkt abgehalten um der Erlös für den Erhalt der Kirche zu sammeln. Serviert wird selbst gebackener Kuchen, Salate, Tee und Kaffee. Was eben so dazu gehört. Langsam treffen auch die anderen Helfer ein. Fühle mich ein wenig an Joyce Barneby und ihre Gemeindeaktivitäten erinnert :-).
Anschließend gehe ich noch kreuz und quer durch den Ort. Über 50 mittelalterliche Keller sollen hier noch erhalten sein. Eine Führung beginnt um 14 Uhr. Ich beschließe zu bleiben, aber leider gibt es im "New Inn" kein freies Zimmer. Schade. Dann also weiter.
Heute steht die Bäderroute an. Wieder durch Hastings folge ich der Küstenroute und komme zunächst nach Eastbourne. Wie schon in Hastings reiht sich entlang der Küstenstraße ein Hotel nach dem anderen auf. Manche sehen elegant aus, manche waren es mal. Ein Besuch auf dem viktorianischen Pier ist natürlich Pflicht! Vor gut zwei Jahren ist ein Teil des Piers abgebrannt, wird jetzt aber wieder hergerichtet.
Größtenteils entlang der Küste und mit teilweise wunderbaren Ausblicken geht es weiter in das berühmteste aller englischen Seebäder, nach Brighton. Hier findet gerade ein Autorennen statt und ich drängele mich durch die Zuschauer in die vorderste Front und erblicke einige Starts. Weiter ins Zentrum zur ebenso berühmten Pier. Wieder Vorteil Motorrad: Parken vor der Tür. Puh, was für ein Rummel! Heute ist Samstag und es herrscht ein reges Treiben. Eine riesige Spielhalle, Kioske, Souveniergeschäfte, Fish & Chips-Läden und andere Einkehrmöglichkeiten prägen die Pier. Am Ende trohnt ein Dauerjahrmarkt. Sehr bunt, aber mir ist das gerade alles etwas doll und ich will weiter!
Kontrastprogramm: meine nächste Station Arundel ist eine mittelalterlich geprägte Kleinstadt mit riesiger Burg. Das Eintrittsgeld spare ich mir wieder, da es inzwischen schon 4 Uhr Nachmittags ist und ich für die Besichtigung nur eine Stunde Zeit hätte. Tröste mich mit einem Sandwich und Kaffee. Auch Arundel gefällt mir so gut, dass ich bleiben möchte, aber das Hotel hat eine Hochzeitsgesellschaft fest im Griff und das einzige Gästehaus ist ausgebucht. Schon wieder schade ...
Also weiter nach Portsmouth. Vielleicht schaffe ich es ja noch zur Fähre auf die Isle of Wight. Gegen 18 Uhr erreiche ich Portsmouth und bin unsicher, ob ich an einem Samstag auf der Insel überhaupt ein Quartier bekomme und bleibe dann doch lieber in Portsmouth. Über das gewählte Hotel decke ich den Mantel des Schweigens. Essen gehen war heute eher traditionell englisch (von der Qualität her). Aber ok, muss auch mal sein. Überall vor den Lokalen Türsteher, wo bin ich hier bloß gelandet?

7. Tag Portsmouth - Stoford

Sonnenstrahlen scheinen durch mein großes Fenster und wecken mich auf's freundlichste. Heute gibt es ja kein Frühstück. Also nur kurz einen Tee gekocht (solche Möglichkeiten gibt es in den meisten Zimmern), gepackt und los. So früh war ich auf dieser Tour noch nicht auf der Straße.
Die Isle of Wight lasse ich sausen und fahre stattdessen nach Winchester. War immerhin die Hauptstadt von Wessex und später von England vor London. Und Leute, ihr ratet es schon ... hier gibt's natürlich eine Kathedrale. Und was für eine! Ich komme passend zum Gottesdienst, der aber doch irgendwie mau besucht ist. Ich fürchte fast, der Chor ist in der Überzahl. Seltsam in so einer riesigen Kathedrale. Das war früher sicher etwas anders ...
Ist aber ganz spannend so ein anglikanischer Gottesdienst. Anglikanisch ist ja ungefähr wie katholisch, nur ohne Papst. Als Predigt dient das Thema Flüchtlinge unserer Zeit. Verglichen drolligerweise mit dem Exodus der Israelis aus Ägypten. Über den Ägyptern ist ja dann das Rote Meer zusammengeschwappt. Der genaue Zusammenhang blieb mir da irgendwie verborgen. Auch, ob es ein Appell an die britische Regierung sein sollte, sich barmherziger zu geben.
In Winchester ist gerade verkaufsoffener Sonntag und in der Highstreet ein Flohmarkt. Ich genehmige mir aber erst mal ein französisches Frühstück im Cafe Parisienne. Ich hatte ja noch nichts ... und wer sich mit Gottesdiensten ein wenig auskennt weiß, dass es jetzt schon nach 11 Uhr sein muss, gelle?
So, nun muss ich aber noch in die Great Hall. Ein kleiner Fußmarsch (immer dran denken, das Ganze immer in voller Montur, mit allem Wichtigen an der Hand, weil ich ja nichts wegschließen kann), und dann steht - pardon, hängt - sie vor mir: die Tafel von König Artus. Also, heute weiß man natürlich, dass es nicht die echte Tafel ist, denn diese stammt aus dem 13. Jahrhundert. Früher hat man das schon so richtig geglaubt. Henry VIII ließ das gute Stück schließlich bemalen. Auch alles schon ziemlich lange her. So ein Fake lasse ich mir gefallen ;-).
So, nun habe ich hier doch glatt schon wieder drei Stunden verbracht und mache mich auf den Weg zu meiner nächsten Station. Auch was historisches, aber - zumindest bei Männern - allgemeinverträglicher: Das National Motormuseum ;-). Tatsächlich scheinen auch viele andere diese Idee zu haben, jedenfalls ist der Parkplatz gut gefüllt und stramm organisiert. Es gibt auch eine separate Fläche für Motorräder. Sehr löblich! Tatsächlich findet hier heute aber auch noch ein riesiges Treffen historischer Fahrzeuge statt. Eine Art Markt für Oldtimer, auch für Ersatzteile. Das findet unter sonnigem Himmel statt und erst kurz vor verdursten merke ich, dass ich die eigentliche Ausstellung noch nicht besucht habe. Die ist indoor und ich kurz rein, alles total gut und spannend gemacht, aber mein geringer Wasserstand macht sich in Kopfschmerzen bemerkbar und da breche ich lieber ab. Aber das Museum ist definitiv großartig. Was die alles haben ...
Bei meiner Ankunft kam ich übrigens mit Andrew ins Gespräch, der ebenfalls mit dem Motorrad da ist. Wir gehen eine ganze Weile zusammen, er erzählt, dass er auch schon in Hamburg war - er war fünf (!) Jahre mit einem Wohnmobil in Europa unterwegs. Er wohnt hier in der Nähe und lädt mich zu sich nach Hause zum Übernachten ein. Sehr nett, aber später verlieren wir uns aus den Augen und so kann ich ihm nicht mehr sagen, dass ich weiterfahren möchte.
Da nun schon wieder mehr Zeit vergangen ist als eigentlich geplant, weiß ich schon jetzt, dass ich Tagesziel Nr. 3 heute nicht mehr realisieren kann: Stonehenge! Aber ich möchte mich in der Nähe einquartieren und gleich morgen früh dorthin. Zum Eingang bin ich trotzdem kurz gefahren. Sieht morgen nach einem längeren Fußmarsch vom Parkplatz aus ...
Heute habe ich ein schönes und preiswertes Quartier in einem alten Inn. Alles im Haus, prima! Wäsche konnte ich auch machen. Morgen sind es nur ca. 15 Minuten nach Stonehenge, und was wäre schon eine Reise nach England ohne Stonehenge :-).

8. Tag Stoford - Tavistock

Früh aus der Koje! Stonehenge öffnet um 9.30 Uhr und ich will gleich am Anfang das sein. Und es klappt auch. Ich sitze im ersten Shuttle-Bus! Vom Parkplatz ist es nämlich noch ziemlich weit. Sieht alles noch recht neu aus (das Besucherzentrum). Ja, und dann steige ich aus und sehe schon gegen das Sonnenlicht die magischen Steine. Für mich unfassbar eindrucksvoll! Ich umrunde die Anlage mit tüchtigem Abstand, da man durch eine symbolische Kordel daran gehindert wird, direkt zu den Steinen zu gehen. Das ist auch bestimmt besser so. Schnell werden es immer mehr Gäste, aber dennoch hat man guten Blick auf die Steine. Aber anfassen würde ich sie gerne schon mal. Seit gut 4500 Jahren stehen sie hier. Wozu genau, werden wir wohl niemals wissen. Was sich hier damals wohl so abspielte? Über so viele Jahrhunderte...
Ein älteres deutsches Ehepaar ist sich einig darüber, dass Stonehenge enttäuschend ist. Und ich bin fassungslos.
So weiter geht's. Heute möchte ich ja nach Cornwall. Das ist aber noch ein ganzes Ende. Dabei zeigen mir die Erfahrungen der letzen Tage ja eher, dass es mit längeren Etappen so seine Tücken hat.
Um ehrlich zu sein, heute ist der erste Tag mit wirklich schönen Strecken zum Fahren. Gut ausgebaute Straßen, wenig Verkehr, schöne Landschaft. Bisher waren die Strecken eher nervig. Entweder sehr eng und hoppelig oder ziemlich voll. Ah, was für eine Wohltat.
Und unterwegs so schöne Orte. So typisch englisch. Einen ersten Stopp mache ich in Shaftesbury. Habe gelesen, dass hier wegen des alten Straßenbildes gerne historische Filme gedreht werden. Und das passt! Ich lasse mich von der alten Abtei anlocken. Die entpuppt sich aber als recht nackte Fläche mit wenigen Fragmenten. Aber die kleine Ausstellung und die Erklärungen sind sehr gut, die Dame an der Kasse sehr nett und so bereue ich die bescheidenen 3 Pfund Eintritt nicht.
Heute habe ich mir einen "Overseas Visitor Pass" besorgt. Damit war dann Stonehenge bezahlt und in ganz England gehören sehr viele Schlösser, Burgen, Abteien etc. dazu. Das spart dann doch Geld. Nur so kleine wie in Shaftesbury gehören dann nicht dazu.
Sherborne ist die nächste Überraschung. Hier könnte ich überall bleiben. Sofort ;-)
Und dann komme ich hinter Exeter in die Dartmoors. Boah!! Zunächst ein kleine Stopp im malerischen Dorf Dunsford. Ein kleines Hinterhofcafe bietet neben schöner Atmosphäre einen super leckeren Schokoladenkuchen. Dazu ein heißer Tee und die Sache ist rund.
Was danach kommt ist nur noch großartig! Die Strecke durch das Dartmoor ist so phantastisch, dass ich nur so staune und öfter stoppe als geplant. So richtig unheimlich will es bei dem schönen Wette zwar nicht wirken (ich sag nur "Der Hund von Baskerville". Ah, da fällt mir ein Quiz ein: Was haben Cindy und Bert mit Black Sabbath gemeinsam? Viel Spaß beim suchen, staunen und lachen. Tipp: Youtube)
In Princetown befindet sich das berühmt-berüchtigte Gefängnis von Dartmoor. Langsam wird der Sprit wieder knapp. Ich frage mein Navi, wo denn die nächste Tanke ist. Ergebnis: Eine Repsol Tankstelle in 1534 Kilometern. Äh, das könnte jetzt knapp werden. Na, erst mal weiterfahren.
Uh, schon wieder so tolle Landschaft. Anhalten. Oh, zwei tolle alte Brücken. Anhalten. Oooooh, Wildpferde an der Straße. Anhalten. So wird das heute nix mit Cornwall. Schlussendlich stoppe ich in Tavistock am Rande des Dartmoors. Auch gut. Dann eben morgen weiter nach Cornwall. Ich freue mich schon auf einen sündigen Cream Tea! Ups, ich glaube, ich bin schon in Cornwall. Oder noch in Devon?
Heute Übernachtung mal preiswert und anders. Statt eines Zimmers bekomme ich ein "Bunkbed" (Etagenbett) in einem Mehrbettzimmer. Dusche und WC dann natürlich gemeinschaftlich. Aber alles sehr ordentlich!

9. Tag Tavistock - Lizard

"Dienst is Dienst and Schäps is Schnäps". Mit diesen Worten strahlt mich der rüstige Rentner auf der Tankstelle an, als wir unseren kleinen Schwatz beenden. Er war von 1946 bis 1948 in Deutschland stationiert und hat damals im (ziemlich demolierten) Land private Touren auf einer Vorkriegs-Horex unternommen. Sein Freund hatte eine dicke "Sundapp" (Zündapp, und jawoll, die haben damals noch richtige Motorräder gebaut). Und sein Bruder - 97jährig vor zwei Jahren gestorben - hat sogar eine Deutsche geheiratet. Ingeborg lebt immer noch in Südengland.
Apropos "Dienst is Dienst ...". Kleiner Nachtrag zu gestern: auf später Nahrungssuche traf ich beim Essen auf Jamie und Adam. Die beiden jungen Männer wohnen hier in Tabistock und wir verbrachten einen lustigen Abend. Nachdem wir gegenseitige Einblicke in die jeweils deutsch/englische Seelenverfassung genommen haben, diverse Runden gegeben wurden und mein Bierpegel langsam bedrohlich anwuchs, ging ich nach drei Stunden mit vielen Cornwall-Tipps zurück in mein Bunkbed. Habe wunderbar geschlafen. Jamie und Adam musste ich versprechen, die Bilder der Tour auf FB zu posten. Ok, mache ich.
Das Wetter ist wieder mit mir und ich mache mich auf zum ersten Jamie und Adam-Tipp, nach Charlestown. Ooooh, ist das schön hier! Strand, Steilküste und ein kleiner Hafen mit Segelschiffen, die in einer Art Dock überhalb des Meeresspiegels liegen. Witzigerweise gibt es nur ein Schleusentor. Wenn also ein Schiff auslaufen wollte, würden alle anderen mit absinken. Da muss dann ja immer jemand auf den anderen Schiffen sein, damit die nicht in den Seilen an der Kaimauer bummeln. Und ich spreche von Schiffen, nicht Booten... sehr spannend!
Gleich hier bekomme ich auch den nächsten Tipp: Mevagissey sollte ich unbedingt besuchen. Ist auch gar nicht weit. Ein altes Fischerdorf mit vielen kleinen Gassen. Wirklich sehr malerisch, aber auch ziemlich gut besucht. Eine original Cornish Icecream genascht und schnell weiter.
Auf Nebenstrecken geht es nach St. Mawes. Die Nebenstrecken sind in Cornwall etwas speziell. Selten richtig zweispurig - also Obacht, was um die nächste Ecke kommt - und meist mit hohen Hecken gesäumt. Manchmal werden es richtige Tunnel und oft sind sie auch steil. Das wäre mir dem Fahrrad schon eine kleine Herausforderung, 15-17% Steigung/Gefälle sind keine Seltenheit. Puh! Aber ich habe ja diesmal 173 PS Unterstützung.
Zurück zum Thema. St. Mawes steht nicht zufällig auf dem Plan. Hier wurden nämlich ebenfalls Szenen zu Miss Marple gedreht. Und tatsächlich finde ich das Hotel, in dem Mr. Stringer sein Zimmer bezog, um von dort aus Miss Marple per Morsezeichen zu unterstützen, während sie sich auf dem Schiff Battledor aufhielt. Auch zwei weitere Drehplätze kann ich ausmachen. Herrlich! Alles noch wie vor mehr als fünfzig Jahren!
Und jetzt kommt eine bereits ersehnte Kaloriensünde: Cornish Cream Tea! Herrlich, aber pures Hüftgold Leute. Zwei Scones, Fruchtaufstrich und Cornish Cream, scheinbar eine Art Mittelding zwischen Sahne und Butter und natürlich Tee. Scones aufschneiden, Fruchtaufstrich drauf und erst dann einen ordentlichen Klacks Cream. Lecker, lecker. Und das Ganze draußen, mit Blick auf die Bucht (ohne Battledor). Mehr geht nicht!
Im Anschluss dann noch ein Besuch von St. Mawes Castle. Es wurde auf Befehl von Henry VIII zum Schutz der Bucht gegen die Spanier gebaut. Wirklich sehenswert und die Erklärungen per Audio Guide sind spannend. Bleibe natürlich wieder viel länger als geplant.
Das Ergebnis meiner Trödelei ist, dass ich das ursprünglich geplante Ziel Penzance nicht mehr erreichen werde. Aber ich biege noch ab, um nach Lizard Point zu fahren, dem südlichsten Punkt Englands. Jamie und Adam hatten es mir empfohlen. Oh, und wie sich das lohnt! Nicht nur der Leuchtturm ist eindrucksvoll, auch die Klippen! Und das Liveboat-House ...
Hm, das Hotel hier in Lizard ist ausgebucht. Aber vorhin hatte ich noch ein B&B mit "Vacancies" gesehen. Nix wie hin und Glück gehabt. Es gibt nur noch ein Einzelzimmer, also genau richtig für mich! Dusche und WC auf dem Flur, Zimmer gemütlich, also alles im Lot.
Habe ich irgendeine besondere Anziehungkraft auf Hunde? Schon gestern in Tavistock im Pub wich der Hund des Hauses kaum von meiner Seite. Im B&B heute haben Kampfhund (Bulldogge?) Bernie und ich Freundschaft geschlossen. Hier im Pub beim Abendessen nehme ich neben einem älteren Herrn Platz. Sein Hund liegt ebenfalls auf der für uns gemeinsamen Sitzbank und wechselt unvermittelt die Seite, als ich mich setze. Fortan weicht mir "Greeky" nicht mehr vom Bein.
Sein Herrchen ist 85 Jahre alt, hier geboren und arbeitete 38 Jahre für die Lifeboat-Guard. Seit 27 Jahren ist er nun im Ruhestand, seine Partnerin starb vor zwei Jahren und er leidet an Schlafstörungen. Bruchstücke und Fragmente eines langen Lebens zwischen drei oder vier Bieren...
Am Ende des Abends sitzt noch ein deutsches Ehepaar an der Theke und er unterhält sich angeregt mit einem "Local". Sie scheint sich hingegen etwas zu langweilen. Kein Problem, die Dame wird befragt :-)
Alte Faustregel: Menschen erzählen meist lieber über sich, als Geschichten des jeweils anderen zu hören. Sie ist mit Ihrem Mann zum ersten Mal auf einer Wandertour über mehrere Tage und sie hatten heute hier in Lizard wirklich Probleme eine Unterkunft zu finden. Am Ende haben sie es doch geschafft. Beide sind gemeinsam in einer eigenen kleinen Firma tätig (neben mir saß also die komplette Belegschaft) und haben selten Urlaub. Dies hier hat ihnen aber gut gefallen. Gut so...
So, ab in die Koje.

10. Tag Lizard - Zennor

So wird das nichts. Ich glaube, ich verschwatze die Tage zu sehr. Die Tagesetappen werden so deutlich reduziert. Später mehr dazu.
Mein Start-Timing heute früh war nicht schlecht. Frühstück wie fast immer um 8.00 Uhr (vorher gibt es meistens nichts), packen, E-Mails checken und los.
Vor dem Aufbruch streife ich noch ein wenig durch den Garten meiner B&B-Gastgeber, weil hier tolle kleine Kunstwerke stehen. Der Hausherr schweisst aus alten Metallteilen tolle Konstruktionen zusammen. Manche sind Insekten, mal ist es eine Windmühle oder es sind drollige Figuren und andere Konstruktionen. Alles wird verwendet: Trommeln aus alten Waschmaschinen, ausgediente Fuchsschwänze, Türangeln, Reifen und was weiß ich nicht noch alles. Sehr bunt und originell.
Bin scheinbar so begeistert, dass ich beim Losfahren glatt den Helm vergesse. Erst auf der Auffahrt kommt mir alles so leicht und luftig vor.
Zunächst möchte ich noch eine Station ansteuern, die mir Jamie und Adam empfohlen hatten und die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Um es kurz zu machen, ich finde sie nicht. Stattdessen lande ich an einem schönen Steinstrand und kann scheinbar direkt in den Atlantik fahren.
Weiter geht es Richtung Küste nach Porthleven. Ein paar Fotos von der hübschen Hafenstadt und ... ja und dann, als ich starten will, steht ein anderes Motorrad neben meinem und der Fahrer gleich dazu. Ich glaube, wir haben fast eine Stunde gequatscht. So wird das nichts.
Dann weiter zum Minack-Theatre, einer Art griechischem Amphitheater, dass eine exzentrische Künstlerin 1923 in den Fels hauen ließ, das immer erweitert wurde und noch heute lebendiges Theater auf die Bühne bringt. Direkt mit dem Atlantik als Bühnenhintergrund. Es ist wirklich großartig! Bin ich wirklich in England? Oder doch in Italien? Die Palmen, der blaugrün schimmernde Atlantik, der weiße Strand da drüben...das will alles irgendwie mehr zum Mittelmeer passen.
Es hilft nichts, ich muss weiter. Land's End muss natürlich dabei sein. Und trotz allem Kommerzes bin ich positiv überrascht. Es ist gut besucht, aber man hat dennoch seinen Raum. Tatsächlich ein Muss, hauptsächlich der schönen Küste wegen.
Neben meinem Motorrad parkt hier eine uralte Triumph. Reichlich verölt und mit ordentlich Patina. Ich treffe den Fahrer - ich schätze ihn auf Mitte siebzig - und er erzählt, dass er damit die große Diagonale Englands - John O'Groats bis Land's End - gefahren ist. In zwei Etappen, da er letztes Jahr Magenprobleme bekam. Dieses Jahr also den restlichen Abschnitt. Die mindestens 50 Jahre alte Triumph hat alles schadlos mitgemacht.
Jetzt will ich langsam zu meinem Tagesziel St. Ives aufbrechen. Im beschaulichen St. Just mache ich Pause, hole mir einen Kaffee und ein kleines Stück Kuchen und setze mich damit auf den Marktplatz. Zunächst spricht mich ein Deutscher, ehemals aus Ratzeburg, an. Er wohnt die eine Hälfte des Jahres hier und die andere in Holland. Bald will er ganz hierher ziehen. Ein Motorrad hat er natürlich auch.
Dann setzt sich ein englisches Ehepaar zu mir. Sie kommen aus Yorkshire im Norden und sind mit ihrem Wohnwagen hier zum Urlaub. Es kommt wie es kommen muss. Wir schwatzen so nett, dass wieder eine Stunde um ist, bevor ich weiterkomme. So wird das nichts!
Weiter und ein kurzer Stopp an der alten Zinnmine Botallack Mine. Für einen Besuch ist es zu spät. Aber es muss sehr interessant sein. In vielen Gegenden Cornwalls war der Abbau von Zinn die Haupteinnahmequelle und das Leben der Bergleute prägte die ganze Region.
Kurz vor St. Ives lockt eine Abfahrt in das Dorf Zennor, deren Schutzpatronin ein Meerjungfrau ist. Ich biege ab und entschließe mich zu bleiben. Ein schönes Quartier finde ich in einer ehemaligen Kapelle. Zum nächsten Pub sind es nur wenige Schritte und die typische kleine Kirche erweist sich von drinnen als originell. Details erspare ich mir :-).
Beim Abendessen setzt sich ein recht elegant wirkendes Ehepaar zu mir. Sie stammen aus der Gegend von London. Er ist in großer Fußballfan und Sie berät Menschen bei der Gestaltung ihrer Gärten. Es folgt eine nette und längere Unterhaltung rund um Gott und die Welt. Das macht jetzt nichts, ich muss heute ja nicht mehr weiter :-).
Gute Nacht!

11. Tag Zennor - Lyton

Also Motorradklamotten und lange Strecken laufen, bei bestem Sonnenschein... Leute, das ist einfach suboptimal! Aber wenn man das Eine will, muss man das Andere wohl in kauf nehmen ... Aber wieder der Reihe nach ...
Wenn ich in der nächsten Woche meine Fähre in Newcastle bekommen möchte, muss ich langsam ein bisschen Strecke machen. Ich wollte schon viel weiter sein und ja noch nach Wales und in die Yorkshire Dales. Ich muss halt aufpassen, nicht bei jeder Gelegenheit anzuhalten, nur weil es mal wieder so schön und spannend aussieht. Schwer. Seeeeehr schwer!
In dem Künstlerort St. Ives will ich mich auch gar nicht lange aufhalten. Sehr schönes Städtchen mit kleinem Hafen. Im Moment ist Ebbe und alle Schiffe liegen auf dem Trockenen. Witzigerweise nicht auf Schlick sondern auf Sand. So sieht es so aus, als würden sie auf einem riesigen Strand liegen. Die gesamte Atmosphäre hat etwas mediterranes. Seltsam hier in Cornwall...
Die Strecke führt heute oft mit herrlichen Ausblicken an der Küste entlang. An einem Cafe an der Steilküste sammeln sich gerade die Teilnehmer einer Tour auf historischen Motorrädern. Ich erfahre, dass sie ein festes Basisquartier in Newquay haben und insgesamt eine Woche in Cornwall auf Tour sind. Heute geht's nach Land's End. Ich staune über die schönen alten Motorräder. Das Alter der Fahrer passt entsprechend. Es könnten großteils die Bikes ihrer Jugend gewesen sein.
Immer wieder komme ich mal an die Küste und versuche nicht zu stoppen :-). In Portreath ist der Strand allerdings besonders schön.
Mein wichtigstes Ziel ist heute Tintagel, die angebliche und sagenumwobene Burg von König Artus. Tatsächlich ist die Burg viel jünger und erst gut 500 Jahre nach der Zeit Artus' entstanden. Einer Legende nach soll er hier geboren sein. Bewiesen ist, dass es hier zu seiner Zeit eine Siedlung gab, die durch Handel recht wohlhabend gewesen sein muss. Wahrscheinlich der Sitz eines cornischen Königs.
Zu meiner Anmerkung am Anfang sei gesagt, dass der Weg vom Parkplatz zur Burg recht lang ist und es nachher auch noch über recht unebene Stufen bergauf geht. Jetzt nur nichts anmerken lassen. Die schweren Motorradklamotten machen mir gar nichts aus. Tralala ....
Die Burgreste liegen malerisch an der Steilküste und der Ausblick ist mal wieder unfassbar schön. Die Ruinen an sich sind eigentlich kaum der Rede wert. Inmitten der Grundmauern eines alten Gebäudes lege ich Frevler mich auf das Gras und döse ein wenig ein.
So, nun habe ich eigentlich nichts weiter vor als mich weiter an der Nordküste Devons Richtung Exmoor zu bewegen. Mal sehen, was ich noch so schaffe. Ich komme auf der A39 (eine Landstraße) prima voran, das Fahren macht Spaß. Oh, da ist ein Hinweis zum Küstenort Clovelly. Der soll doch so schön sein? Da fahre ich hin. Überraschung: Alle Fahrzeuge müssen auf einen Parkplatz. Der Zugang zum Dorf erfolgt durch ein Eingangsgebäude, dass Infozentrum, Souvenirladen und Cafe in einem ist. Man zahlt für das Dorf Eintritt!! Und mit 6,90 Pfund nicht zu knapp. Ich zögere erst, aber es muss ja was dran sein...
Auf Kopfstein geht es steil bergab in das Dorf, das tatsächlich wie aus der Zeit gefallen wirkt. Malerisch ist gar kein Ausdruck! Vor mir geht ein einheimisches Ehepaar, das seine Einkäufe auf einem Schlitten mit zwei Holzkufen hinter sich herziehen. Denn auch sie erreichen ihr Haus ja nicht mit dem Auto. Solche Schlitten sehe ich dann auch überall an den Hauswänden lehnen. Ziel der Steiltour ist der Hafen, in dem einige Fischerboote dümpeln. Auf der Schutzmauer genießen einige Besucher die Sonnenstrahlen.
Hier unten gibt es sogar ein Hotel und ich frage mich natürlich, wie die Gäste mit dem Gepäck hierherkommen. Des Rätsels Lösung: es gibt doch eine kleine Straße, aber die führt eben nur nach ganz unten, direkt hinter das Hotel. Den Häusern weiter oben nützt das auch wenig. Zurück zum Parkplatz muss ich natürlich bergauf. Puh, ist das anstrengend. Jetzt wieder nur nichts anmerken lassen...
Anschließend schaukele ich mich zügig durch eine wunderbar hügelige Landschaft, deren Felder und Weiden in der Abendsonne herrlich leuchten. Mein Quartier ist heute in Lyton, etwas oberhalb der Küste. Sehr weit bin ich damit zwar nicht gekommen, aber immerhin. Beim zweiten Anlauf finde ich ein B&B bei einem netten jungen Ehepaar. Caroline und Richard waren gerade auf dem Sprung zum Dinner. Glück gehabt, denn der Ort scheint gut belegt. Jetzt eine Dusche!
Mit bleiben noch fünf Nächte. Eigentlich zu wenig, für das was noch kommen sollte. Mal sehen, wie ich das jetzt am besten mache.
Es war ein guter Tag!

12.Tag Lynton - Breacon

Von wegen kurz frühstücken! Im Frühstücksraum treffe ich ein Paar aus Deutschland, das eigentlich wandern wollte und aufgrund ihrer Archillesprobleme nun umplanen muss. Details sind egal, es sind aber sehr interessante Leute und wir unterhalten ausgiebig und lange. So ist es erst 10:30 Uhr als ich auf dem Motorrad sitze.
Lyton liegt ja oberhalb der Küste. Der Schwesterort Lynmouth liegt unten am Wasser. Zwischen beiden Orten gibt es seit 1888 eine per Wasserdruck betriebene Sesselliftbahn, denn auf der Straße sind es bis zu 25% Steigung bzw. Gefälle! Da staune ich nicht schlecht. Mach' das mal bergauf mit dem Fahrrad. Ich glaube, das geht gar nicht. Und auch bergab braucht man seeeehr gute Bremsen. Beide Orte sind sehr malerisch und gefallen mir wirklich gut. Sie gehören zu den kleinen Überraschungen der Reise. Überhaupt ... das Gastgeberehepaar Caroline und Richard waren so warmherzig und freundlich, da kommt man gerne wieder hin. Die Zimmer sind guter B&B-Durchschnitt. Aber eine solche Gastfreundlichkeit merkt man sich!
Heute muss ich endlich etwas Strecke machen, damit ich nach Wales komme. Bath werde ich sausen lassen und sicher später einmal besuchen (kommst Du mit, Rainer?) Man kann ja von Hamburg direkt nach Bristol fliegen. Von da ist es nur ein Klacks.
Zunächst folge ich einer berauschenden Küstenstraße und biege dann ins Exmoor ab. Hier ist man wirklich ab von allem, sogar mit Handy-Empfang ist's hier Essig. Muss für Wanderer ein Traum sein. Auf der Straße gibt man lieber Obacht. Schafe, Pferde, Rinder, ... jeder geht hier wo er will. Ein Radler-Ehepaar auf Rennrädern spreche ich vor einem Laden an. Sie kommen aus London, haben hier auf einer Farm für fünf Nächte ein festes Quartier und unternehmen Tagesausflüge. Ich bekunde meinen tiefsten Respekt in Anbetracht der saftig-knackigen Steigungen. Flache Etappen gibt es hier einfach nicht.
Jetzt aber wieder los und auf Strecke. Es geht zur Autobahn. Es ist jetzt Freitagnachmittag und es gibt mal wieder oft und gerne Stau. Zum Glück kann man mit dem Motorrad immer irgendwie durch, was hier übrigens auch erlaubt ist. Vor den Brücken nach Wales verfranse ich mich im Autobahngewirr und bekomme 20 Strafkilometer.
In Wales angekommen gönne ich mir einen Besuch der Tintern Abbey. Eine wirklich beeindruckend große und schöne Ruine. Henry VIII hat "den Laden hier zugemacht", alle nach Hause geschickt und dann auch noch alles kaputt gemacht. Ts, ts ... Davor muss es wirklich prachtvoll gewesen sein.
Nun hoffe ich auf schöne waliser Landstraßen. Stattdessen komme ich in ein Gewirr von halbfertigen Schnellstraßen, die hier alle neu gebaut werden. Weder meine Karte, mein Navi noch ich kennen sich noch aus. Aber am Ende gibt es doch noch eine herrlich rasante Landstaße und ich suche mir ein Quartier in Breacon, dem Zentrum des Breacon Beacon Nationalparks. Die ersten Landschaftseindrücke waren schon vielversprechend. Morgen dann mehr aus Wales.

13. Tag Breacon - Bryncrug

Ja, was soll ich über diesen Tag bloß schreiben?
Vor dem Frühstück will ich ein wenig Kettenpflege betreiben, werde aber von einem heftigen Schauer wieder ins Hotel getrieben, bevor ich das Motorrad überhaupt hochgebockt habe. Dann eben später ...
Nach Tagen mit bestem Wetter reagiere ich ein wenig beleidigt auf den Regen. Aber hey, ich bin in Wales! Da kann das schon mal passieren ;-).
Heute habe ich mir eine kleine Tour über einsame Nebenstrecken zurecht gelegt. Keine Highlights im üblichen Sinne, nur Landschaft und Natur (bzw. künstliche Landschaft, weil es zu Stauseen gehen soll, die Birmingham seit dem 19. Jahrhundert mit Wasser versorgen).
Ab dem schönen Örtchen Llandovery ging es los. Die Strecke war aber dermaßen hoppeldipoppel, dass es schon ziemlich müh- und langsam war. Das wussten die Einheimischen scheinbar auch, denn ich war mutterseelenallein! Dafür war die - verregnete - Landschaft wirklich schön. Bei Sonne wäre ich wohl vom Hocker gefallen ;-) . Irgendwie fühle ich mich die ganze Zeit an den Film Rob Roy erinnert. Das könnte hier gut passen. Der ist aber glaube ich - obwohl in Schottland spielend - in Irland gedreht worden.
Das heißt, stopp! Ich war nicht ganz allein. Als ich gerade eine Pause einlege um einen Apfel zu vermüffeln und um einen kleinen Wasserfall zu betrachten, da stoppt ein Peugeot mit französischem Kennzeichen. Die Beifahrerin steigt mit einem iPad-Mini bewaffnet aus und fragt mich auf ganz und gar unfranzösisch klingende Art und Weise, ob ich ein Local sei. Bin ich natürlich nicht, kann aber trotzdem helfen. Die beiden quietschfidelen Schwestern Lynn und Susan kommen aus Australien, haben sich in Paris ein Auto gemietet und sind nun acht (!) Wochen kreuz und quer in (West-) Europa unterwegs. Beifahrerin Susan hat ob der schmalen Straßen (die es in Australien nicht gibt) nur gekreischt und nun haben sie zu allem Ungemach auch keinen Empfang mehr und können nicht mehr navigieren. Ich kann sie aber beruhigen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Wir klönen eine Weile und wünschen uns eine gute Weiterfahrt. Vorher noch ein iPad-Foto zusammen mit Lynn, dass Susan dann in Ihrem Tagebuch verewigen will. Muss deshalb noch kurz meinen Namen buchstabieren. Genau wie Lynn und Susan will auch ich so schnell wie möglich wieder auf bessere Straßen zurück und ändere deswegen meinen Plan ab dem Örtchen Tregaron - das sogar recht hübsch ist. Stattdessen fahre ich ein wenig kreuz und quer auf mittleren Nebenstraßen. Inzwischen bricht der Himmel auf, die Straßen trocknen ab und mir wird warm. Ab Aberaeron geht es an der Küste geht es nun nordwärts. Zwischendurch mache ich noch einen kleinen Abstecher und heissa, wie der sich lohnt. Bei schönstem Wetter über schönste und leere Straßen durch schönste Landschaften. Was für ein Spaß!
Am Rande der Cambrian Mountains nehme ich die Küstenroute auf der Nebenstraße und suche mir ein Quartier. Klappt erst im dritten Anlauf. Die Häuser direkt am Meer sind scheinbar alle voll. Es ist ja auch Samstag. Bin nun in ... äääh ... ja, wo bin ich denn eigentlich? Ah, Bryncrug heisst das Nest, äh der Ort.

14. Tag Bryncrug - Chester

Gestern hatte ich vergessen zu erzählen, dass ich kurz bei einem Rugby-Spiel zugeschaut habe. Bei bestem Sonnenschein lief ein Spiel auf Lokalebene, nehme ich an. Habe versucht die Regeln zu durchblicken. Ein Erkenntnisgewinn blieb aber vollständig aus. Einer wirft den Ball ein, einer fängt, dann alle auf ihn drauf, dann flutscht irgendein anderer mit dem Ball aus dem Geknäuel wieder heraus, Lauf, Schuss, fangen, Knäuel, Pfiff...nix begriffen. Sah aber lustig aus. Und ziemlich grob.

Heute zum Frühstück gibt es ein kleines zeitliches Missverständnis. Es ist ja Sonntag und am Vorabend wurde mir der Vorschlag "half nine" gemacht. Ich fand halb neun ganz ok, aber leider ist alles noch verschlossen, als ich zum Frühstück erscheine. Ich realisiere nun, dass "half nine" nur eine Abkürzung von "half past nine", also halb zehn ist. Na gut, kann ich schon mal in Ruhe das Navi für den heutigen Tag füttern. Als Tagesziel suche ich mir Chester in England aus. Das ist am Ende des Tages gut per Autobahn zu erreichen und ist am nächsten Tag mein Sprungbrett in den Norden.
Zunächst folge ich nun weiter der Küstenstrecke und ein toller Ausblick jagt den anderen.
Im Dorf ????? entdecke ich viele gestrickte und bestrickte Dinge, die draußen aufgestellt sind: ein großer Kopf mit Schnurrbart, ein Drache, ein völlig bunt eingestricktes Fahrrad und viele Kleinigkeiten mehr. Ein älteres Ehepaar, das gerade aus der Kirche kommt erklärt mir, dass hier alle Damen des Dorfes stricken. Sehr drollig!
Auf wunderbaren Straßen erreiche ich mein erstes Etappenziel, Caernarfon. Hier soll die Burg ausgesprochen imposant sein, was sie dann auch tatsächlich ist. Ein wuchtiger und beeindruckender Bau. Aus Zeitgründen schaue ich mir die Burg aber nur von außen an. Selbst die Stadtmauer ist hier in weiten Teilen noch gut erhalten.
Jetzt geht es wieder ein wenig in die Landschaft und ich möchte um Snowdon, dem höchsten Berg Wales'. Auf wieder einmal schönsten Strecken geht es zum Pass. Auf die Bergspitze kommen nur die Wanderer, die hier in großen Scharen (Sonntag) erscheinen. In Betws-y-Coeds gönne ich mir ein Päuschen am kleinen, aber malerischen Wasserfall. Auch dieser Ort ist ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderer. Entsprechend gibt es hier auch zwei größere Outdoor-Geschäfte. Nach Conwy geht es weiter über berauschende Strecken mit moderatem Verkehr. Muss mir diese Straßen unbedingt merken, damit wir sie in die Tourenplanung einbeziehen!
Das mittelalterliche Städtchen Conwy, nahe der Nordküste von Wales, ist eine tolle Überraschung. Viel kleiner als Caernarfon, ist hier die Stadtmauer vollständig erhalten. Die wuchtige Burgruine ist Teil der Mauer und muss unbedingt inspiziert werden :-). Gerade als ich mich kurz orientiere höre ich laut rufend ein "Carsten??". Etwas ungläubig schaue ich mich um. Lynn!! Und bald erscheint auch Ihr Schwester Susan. Die Freude ist groß und wir durchstreifen gemeinsam die Burg. Die beiden sind wahre Burg-Maniacs und sind interessiert und auch gut belesen. Das war der Kerker, und hier muss die große Halle gewesen sein. Schau mal, hier war der Stall! Und die Küche hier!! Sehr spaßig mit den beiden. Nächster Abschied. Für die beiden geht es morgen nach Irland weiter.
Es ist nun schon sehr später Nachmittag und ich mache mich auf den Weg nach Chester. Über die Autobahn ist es nun eine gute Stunde und kurz vor sieben erreiche ich meine Unterkunft, die ich mir heute früh vorgebucht hatte.
Insgesamt hat Wales bei mir einen großartigem Eindruck hinterlassen. Tolle Landschaft (Irland durchaus nicht unähnlich), tolle Sehenswürdigkeiten - von denen ich nur wenige gesehen habe - und tolle Strecken, vor allem für Motorradfahrer.
Morgen geht es dann weiter in den Norden!

15. Tag Chester - Kilnsey

Dies wird wieder ein Transfer-Tag ;-). Ich muss zusehen, dass ich in den Norden komme, denn in zwei Tagen geht meine Fähre von Newcastle. Und ich wollte doch noch in die Yorkshire Dales, die ich schon bei einem kurzen Besuch vor fünf Jahren ein wenig kennengelernt habe. Den Lake District muss ich mir aus Zeitgründen von der Backe putzen. Next time...
Nach dem Frühstück sehe ich mich noch ein wenig in Chester um. Das Zentrum ist von schwarz-weiß bemalten Fachwerkhäusern geprägt. Eine Besonderheit sind in diesen Häusern die Rows, lange Galerien, die eine Art Vorläufer der modernen Einkaufsmeilen darstellten. Wettergeschützt shoppen und schlemmen gibt es also schon etwas länger ;-). Hier und da kann man auch römische Reste entdecken (Torbogen, Keller). Dieses Erbe hält man in Chester sehr lebendig.
Es nieselt ein wenig, aber nichts ernsthaftes und ich starte zu meiner ersten Zwischenstation: Little Moreton Hall. Das Herrenhaus stammt aus dem dem Jahr 1504 und ist noch heute erhalten! Leider ist es Montags und Dienstags geschlossen. Was ich gemeinsam mit einer amerikanischen Familie deutscher Abstammung feststelle.
Aber auch die Außenansicht des Fachwerkbaus ist sehr schön. Alles krumm und schief, wunderbar! Für die Amerikaner ist ein 500 Jahre alter Profanbau (also keine Kirche, Abtei oder Burg) ebenfalls sehr beeindruckend.
Ok, dann eben weiter!
Auf überraschend schöner Strecke geht es in den Peak District, der praktisch die Mitte Englands markiert. Durch schönste Landschaft schaukele ich mich in die Höhe und in die Wolken. Uuuh, nun wird es aber frisch! Im Kurort Buxton lege ich einen Stopp ein. Immer noch ziemlich kalt hier. Eine Suppe plus Tee muss her! An das sehenswerte Opernhaus schließt sich der Pavilion Garden an. Ein Glas- und Eisenbau aus dem 19. Jahrhundert. Ab ins Cafe!
Manchmal sind kleine Dinge Erinnerungswürdig. Als ich mich wieder auf den Weg mache, begegne ich einer offenbar sprachbehinderten Dame (Schlaganfall?) auf so einem elektrischen Fahrsitz (wie heißen die Dinger denn? Kein Rollstuhl, so mit Sitz, Lenker und Farbe). Ich "ermahne" sie im Spaß, nicht zu rasen - better safe than sorry - und sie hat sichtlich Freude daran. Verstehen kann man sie nicht, aber wir schlagen ein und gehen/fahren unserer Wege.
Einen weiteren Abstecher in den Peak District lasse ich ob des Trüben Wetters und der Temperaturen fallen. Auf in die Yorkshire Dales.
Autobahn - müde - sehr müde - Roter Bulle + Kaffee - und Ankunft in Pikton, am südlichen Rand der Dales. Ein hübscher Ort und auf dem Kanal kann man eines der "Narrowboats" mieten. Das waren früher die typischen Flussschiffe, die auch für die teilweise sehr schmalen Kanal-Aquädukte geeignet waren. Sie sind wirklich sehr schmal! Und dort haben die Schiffer eben auch gelebt.
Nun sind es nur noch knapp 20 Kilometer herrlichste Strecke indie Dales zu meinem Quartier. Wie erhofft, ist dort auch etwas frei. Ich kannte das Hotel Tennant Arms noch nicht persönlich, aber wir haben es schon öfter für unsere Motorradkunden gebucht. Es ist tatsächlich sehr schön. Als ich hereinkomme, brennt neben dem Tresen ein gemütliches Feuer. Hier kann man bleiben ;-)

16. Tag Kilnsey - Barnard Castle

Schon wenige Kilometer nach meinem Start komme ich durch das Dorf Grassington. Stohopp!!! Was für ein schönes Dorf, scheinbar auch allseits beliebt, da schon jetzt recht viele Besucher da sind. Auffallend viele Wanderer. Die Häuser sind einheitlich aus hellbraunem Sandstein gebaut, oft mit Blumen oder bunten Geschäftsfassaden geschmückt. Ein Stil, den ich heute in den Yorkshire Dales immer wieder entdecken werde.
Eine Abtei muss noch sein! Fountain Abbey ist nicht zu weit und mein erstes Ziel. Mitte des 12. Jahrhunderts war sie eine der reichsten Abteien Englands. Daher wohl die schiere Größe. Besonders beeindruckt hat mich der Schlafsaal der Mönche, der noch komplett überdacht und gut 90 Meter lang ist!
Da mir gestern in im Peak District so kalt war, habe ich heute etwas mehr angezogen. Puh, ist mir nun warm! Die Wege sind hier nämlich recht lang. Wer will kann hier gut und gerne auf 2 Meilen (ca. 3,2km) unterwegs sein. Auf jeden Fall ist es ein lohnender Stopp am Rande der Dales.
Zurück in die Dales geht es zunächst auf ziemlich hoppeligen Pisten, aber schon bald öffnet sich das Geläuf, die Straßen werden besser und die Fahrt ist einfach nur großartig. Die Sonne bricht sich ihren Weg und teilt sich den Himmel mit düster aussehenden Wolken. Ihr Licht bringt das Gras zu leuchten und ich, ja ich weiß gar nicht wohin mit mir. Da stoppen? Oder da? Er vielleicht auch noch? Schlimm!!! Ich werde ganz wuschig von den tollen Ausblicken! Komme also wieder zu nichts und der Tag endet weit vor meinem eigentlichen Ziel in Barnard Castle. Macht nichts, wenn das Wetter mitspielt, schaffe ich morgen vielleicht den Rest, bevor es zur Fähre in Newcastle geht. Jawoll, meine Englandreise geht zu Ende.
In dem Marktflecken Barnard Castle ist schnell ein Quartier gefunden. Das Motorrad wird auf dem winzigen Backyard zwischen Pub und Klo sicher abgestellt. Nach der Dusche erstmal ein leckeres Ale und schon bin ich mitten im Schwatz mit Mick und Elly und dem Rest des Pubs. Es geht - wie so oft - um Gott und die Welt, den Sohn mit der Ex-Freundin Kassel und was weiß ich nicht noch alles. Seeeehr nett. Nachdem Mick bereits eine Runde geschmissen hat, drängelt Elly auf das Abendessen. So komme ich nicht mehr zum Zuge.
Morgen dann - wenn alles gut geht - der Hadrians Wall!

17. Tag Barnard Castle - Fährhafen Newcastle (Tynemouth)

Ein letztes sündhaftes englische Frühstück. Das ist eigentlich genauso wie das irische und das schottische Frühstück. Spiegel- oder Rührei, Würstchen, Tomaten, Schinken, manchmal Bohnen und "black pudding", eine Art Blutwurst. Dazu Toast und Marmelade, wahlweise Kaffee oder Tee. Dass da etwas gesundes bei ist, bezweifle ich sehr. Das Ei vielleicht? Oder doch nur der Tee? Nein, der auch nicht? Ok...
Im Fährhafen von Newcastle muss ich zwischen 15 und 16 Uhr ankommen. Ich plane mal lieber 15 Uhr.
Zunächst geht es aber Nordwärts, da ich noch an den Hadrians Wall möchte. Die Römer haben ja auf Befehl Kaiser Hadrians um 120 NC damit begonnen hier im Norden von Küste zu Küste eine rund 120 Kilometer lange und 6 Meter hohe Befestigungsmauer als Schutz gegen die ständigen Angriffe der Pikten zu bauen. Eine wahre Meisterleistung und die Mauer ist noch heute - natürlich viel niedriger - noch in großen Teilen vorhanden. Mit militärisch gut besetzten Forts war sie in bestimmten Abständen gesichert. Die Reste dieser Forts kann man noch heute besuchen. Ich suche mir das Fort Housesteads aus, das am besten erhalten sein soll.
Die gut 80 Kilometer lange Fahrt führt mich Richtung North-Humberland, der Grenzregion zu Schottland. Die Fahrt ist sensationell: eine einsame, aber gut fahrbare Straße, herrlich geschwungen und die Landschaft wechselt von fruchtbarer Landwirtschaft auf unwirtliches Hochmoor. Aus den Schornsteinen in den Dörfern steigt der Rauch von Torffeuern empor und direkt in meine Nase. Das alles bei schönstem Sonnenschein. Ein Traum!!
Auch wenn es die am besten erhaltenen Reste eines römischen Forts am Hadrians Wall sind, ein wenig Vorstellungskraft muss man schon mitbringen. Auf eine recht stattlichen Hügelfläche (keuch) breiten sich die selten mehr als kniehohen Reste aus. Dennoch, mit den Erklärungstafeln wird es recht anschaulich. Am meisten hat mich die Latrine beeindruckt. Für die Gesundheit und der Hygiene von 800 Mann Besatzung war ein gut funktionierendes Klo unerlässlich. Gleichzeitig war es ein Ort der Gespräche. Für uns heute kaum vorstellbar. Aber alles perfekt geplant. Stets fließendes Wasser hat den Unrat weggespült, anderes Wasser diente der Reinigung. Sehr beeindruckend!
So, nun weiter Richtung Fährhafen. Einen letzten Tee, eine leckere Tomatensuppe und ein Ciabatta gönne ich mir in einem Gartencafe in Hexham, ca. 30 Kilometer von Newcastle. Ok, ok, es war auch noch ein Karottenkuchen dabei. Aber nur, weil ich noch Tee übrig hatte.
Hexham hat eine beeindruckende Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert, die auf einer älteren sächsischen Kirche aus dem 7. Jahrhundert erbaut wurde. Die Krypta aus dem Originalbau ist noch erhalten (neben der von Ripon die einzige aus sächsischer Zeit in England).
Der letzte Tee fing ungefähr 10 Kilometer vorm Fährhafen an, seinen Tribut zu fordern. Himmel, wie einen das von jedem anderen Gedanken ablenkt. Aaah, dort, direkt vor den Check in-Reihen...meine Rettung. Nun entspannt einschiffen. Das Motorrad trotz der erwarteten ruhigen Überfahrt fest verzurrt - better safe than sorry - und ein last goodbye to England.
Eine für mich beeindruckende Reise. So viel zu sehen, freundliche Menschen, das Essen viel besser als der Ruf und eine Landschaft oft zum Niederknien. Und Mensch, was habe ich alles NICHT gesehen!! Aber ich tröste mich mit den vielen tollen Eindrücken und Erlebnissen, den schönen Begegnungen und der Erkenntnis, dass jeder Pub heute leckere lokale Cask-Ales anbietet ;-). Diese Biere waren seeehr lecker und auch sehr unterschiedlich, nie langweilig.
Soll ich Favoriten benennen? Vielleicht unfair, aber ja, Cornwall und Devon, Wales und die Yorkshire Dales sowie Northumbria, das sind meine Favoriten! Und wäre ich auch noch im Lake District gewesen, er würde ganz sicher dazugehören! Das nächste Mal.