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Reisebericht: Autorundreise durch das Baltikum

geschrieben von Ursula Feist (2012)

Das Baltikum gehört natürlich zu unseren absoluten Lieblings-Zielgebieten: Die tolle Natur und prächtigen Hansestädte, mondänen Seebäder mit ihren schönen Holzvillen und mächtigen Ordensburgen faszinieren uns einfach. Seit mehr als 20 Jahren bieten wir Reisen ins Baltikum an und gehörten damals zu den Pionieren.
Ab und zu müssen auch unsere Klassiker-Reisen unter die Lupe genommen werden ... Für gute zwei Wochen geht’s durch Litauen, Lettland und Estland. „On tour“ ist Ursula Feist, seit 2012 im Team von Schnieder Reisen. Und für die Reise wurden kurzerhand Mann und Kind eingepackt. So konnte gleich die Kinderfreundlichkeit der Esten, Letten und Litauer getestet werden. Soviel sei schon hier verraten: Test bestanden!

1. Tag: Auf ins Baltikum

Endlich wieder ins Baltikum! Seit einigen Jahren bin ich nicht mehr dort gewesen, dabei habe ich mich schon auf meiner ersten Reise nach Litauen, Lettland, Estland und ins Kaliningrader Gebiet im Jahr 2004 in die Gegend verliebt. Und so freue ich mich wahnsinnig darauf, diesmal mit meinem Mann und meinem kleinen Sohn dorthin zu reisen!
Wir fahren zum Hafen in Kiel, checken ein auf die Fähre der Reederei DFDS und bald heißt es auch schon „Leinen los“!
Das Abendessen gibt es in dem eher pragmatisch gestalteten Restaurant an Bord, dann ab in die Kabine. Wird unser Sohn in dieser Atmosphäre gut schlafen können? Wir sind gespannt auf die Nacht an Bord …

2. Tag: Ankunft in Klaipeda

Die Nacht war überraschender Weise ganz gut, auch mit kleinem Kind reist es sich ok per Fähre. Am Vormittag sind wir dennoch ganz froh, Land in Sicht zu haben. Die Zerstreuung auf diesen Fähren, die viel von Truckern und für den Warentransport genutzt werden, ist so mittelprächtig. Mit den Spielautomaten kann ein 1,5-Jähriger halt noch nicht so viel anfangen … Und für die ängstliche Mutter ist das ständige Krabbeln zur Reling auch nicht besonders erheiternd. Aber die Fähre bringt uns nach Klaipeda ... und da wollen wir schließlich hin.

Da sehen wir auch schon das nördliche Ende der Kurischen Nehrung! Wir können die Landzunge schon von Weitem erspähen. Die Nehrung trennt das Kurische Haff von der Ostsee. Bei Klaipeda gibt es eine knapp 300 Meter breite Öffnung zum Meer. Die Fähre schiebt sich durch die enge Stelle zwischen Festland und Nehrung und wir fahren ein in den Hafen von Klaipeda. Geschäftig geht es hier zu, große Schiffe, Lastwagen, Container – eine typische Hafenatmosphäre. Mit unserem Auto fahren wir von der Fähre und staunen nicht schlecht, wie elegant die Lastwagenfahrer ihre riesigen Gefährte rückwärts aus dem engen Frachtraum des Schiffes bugsieren.
Unser Navi verrät uns, dass wir knapp zwölf Kilometer bis zu unserem Hotel in der Altstadt von Klaipeda, dem ehemaligen Memel, vor uns haben. Eine kurze Etappe zur Gewöhnung an die litauischen Verkehrsverhältnisse – Beschilderung, Sprache, Umgebung – alles ist halt doch etwas anders.
Nach dem Einchecken im Hotel machen wir uns auf zu einem ersten Rundgang. Die adrette Altstadt empfängt uns mit von schönen Häusern gesäumten Gassen. Die Figur des Ännchen von Tharau auf dem Theaterplatz ist Wahrzeichen von Klaipeda – der Dichter Simon Dach besang die hübsche Pfarrerstochter aus dem ostpreußischen Tharau im 17. Jahrhundert, in Klaipeda wurde sie in Bronze verewigt.
Bei einem Abendessen in einem der netten Restaurants der Altstadt bereiten uns gedanklich auf unsere Reise vor. Geld tauschen? Nur für Litauen und Lettland nötig. In Estland wird ja mittlerweile mit dem Euro gezahlt. Das war bei meiner letzten Reise noch anders. Genaues Kartenmaterial und eine Routenbeschreibung haben wir, unser Navi soll die Orientierung zusätzlich erleichtern. Wir freuen uns!!

3. Tag: Kurische Nehrung

Heute fahren wir unsere erste Etappe. Es geht für einen Tagesausflug auf die Kurische Nehrung, deren Nordende wir ja schon mit der Fähre umschifft haben. Mit einer kleinen Autofähre setzen wir über und folgen der Landzunge in Richtung Süden. Bei Alksnyne zahlen wir die nötige Abgabe an einem Schalter. Die Kurische Nehrung steht als Nationalpark unter Schutz, Eintritt ist gefordert. Nun empfängt uns die Natur des Baltikums mit einer der – wie ich finde – schönsten Facetten: Lichte Nadelwälder und riesige Dünen, und immer wieder der Blick auf das so ruhig daliegende Kurische Haff. Vielleicht sehen wir heute sogar einen Elch? Einige sollen ja noch auf der Nehrung leben und beim letzten Mal war mir dieses Glück leider nicht vergönnt.

Ziel ist der ehemalige Fischerort Nida. Beschaulich – das trifft es wohl am ehesten. Bunte, in den typischen Kurenfarben Rotbraun, Blau und Weiß gestrichene Holzhäuser säumen die Promenade von Nida. Die Vorgärten sind liebevoll bepflanzt, teils mit skurrilen Holzschnitzereien bestückt. Einige Häuser sind mit Kurenwimpeln versehen, die früher die Fischerboote markierten. Nida, vielen auch noch unter dem Namen Nidden bekannt, ist einfach hübsch anzusehen.
Und wir sind nicht die ersten, die dieser herrlichen Atmosphäre verfallen. Schon deutsche Künstler wie Max Pechstein, Ernst Mollenhauer und nicht zuletzt Thomas Mann wussten die inspirierende Atmosphäre der Nehrung zu schätzen. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Nidden zur Künstlerkolonie, der damalige Gasthof Blode im Norden des Ortes war ein Treffpunkt von Malern, Schriftstellern und Dichtern. Thomas Mann ließ sich in den 1920er-Jahren sogar ein Sommerhaus errichten. Es steht auf dem „Schwiegermutterberg“ und empfängt heute als Museum und Kulturzentrum Besucher. Hier – bei dem atemberaubenden Blick auf das so ruhig da liegende Haff – verfasste er einen Teil der Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“. Natürlich besichtigen wir das Haus und genießen ebenfalls den wundervollen Ausblick.
Die Marktstände im Ortskern von Nida offerieren jede Menge Bernsteinprodukte: vor allem jede Menge ansehnlichen Schmuck. Die Preise sind moderat. Aber jetzt schon Souvenirs kaufen, am ersten Tag? Ja, wir entscheiden uns ob dieses schönen Anhängers mit grünem Bernstein dafür und fahren gegen Abend zurück nach Klaipeda. Wir nehmen unser Abendessen in einem netten Lokal in der Altstadt ein und fallen todmüde in die Betten.

4. Tag: Klaipeda – Kaunas

Unsere Reise führt uns in den Osten Litauens. Kaunas, das kulturelle Zentrum des Landes, steht auf dem Programm. Unser Weg dahin verläuft durch das Memelland. Klar, man kann auch den direkten Weg über die Autobahn nehmen. Aber für diese Etappe wollten wir die „Memel-Route“ nehmen, weil man dabei einen Eindruck von den ländlichen Seiten Litauens, von kleinen Städten und Dörfern bekommt, und interessante Festungsanlagen wie die Burgen Panemune und Raudone an der Route liegen.
Mit Kaunas erreichen wir die zweitgrößte Stadt Litauens. Hier, am Zusammenfluss von Memel und Neris, befindet sich eine Burg aus dem 13. Jahrhundert, deren Reste durchaus sehenswert sind. Von hier schlendern wir zum schmucken Rathaus, das im Volksmund auch „Weißer Schwan“ genannt wird, zum Perkunas-Haus und dann durch die Vilniaus gatve. Dann ist es Zeit fürs Bett, unsere Füße bemerken jeden einzelnen Stein des Kopfsteinpflasters, auch der Kindewagen schiebt sich darauf etwas holperig. Noch schnell ein kleines Abendessen und dann geht der Tag für uns zu ende.

5. Tag: Kaunas - Vilnius

Von Kaunas ist es dann nicht mehr weit nach Vilnius. Dank der kurzen Etappe wäre Zeit für Besichtigungen unterwegs. Ein Besuch im ethnografischen Freilichtmuseum Rumsiskes am Kaunasser Stausee ist geplant. Da unser Kleiner aber kurz nach Abfahrt im Kindersitz einschlummert und wir ihn nicht wieder wecken mögen, streichen wir den Programmpunkt kurzerhand. Mit Kindern muss man bei einer Rundreise halt flexibel bleiben …
Auch die Burg Trakai liegt auf dem Weg, deren Besichtigung obligatorisch ist. Da hilft es auch nicht, sich schlafend zu stellen, und so legen wir den geplanten Stopp tatsächlich ein. Die Burg von Trakai: Ein trutziger Bau, der dennoch irgendwie über dem Wasser des Galve-Sees zu schweben scheint. Die Nachmittagssonne präsentiert sie in einem schönen Licht. Ein lohnender Stopp!
Von hier geht es zu unserem Hotel in Vilnius ... nur einen Katzensprung von Trakai entfernt. Für zwei Nächte checken wir ein.

6. Tag: Vilnlius

Der litauischen Hauptstadt können wir uns heute den ganzen Tag widmen. Gut so, denn die Stadt strotzt vor Sehenswürdigkeiten. Uns gefällt die Mischung der vielen Architekturstile, wir schauen uns die eine oder andere Kirche an – davon hat Vilnius wahrlich viele – und stromern durch das Viertel Uzupis, das sich zu einem etwas schrägen, aber nicht minder sympathischen Künstlerviertel entwickelt hat. Es versteht sich als eigene Republik, mit eigener Verfassung und Flagge.
„Das Jerusalem des Nordens“ wurde Vilnius einmal genannt. Die ausgeprägte jüdische Kultur fiel dem Nationalsozialismus zum Opfer, unzählige jüdische Einwohner wurden ermordet. Ein trauriger Teil der Vergangenheit von Vilnius. Die Choral-Synagoge ist die letzte erhaltene Synagoge der Stadt.

Für das Abendessen gehen wir wiederum in eines der kleinen Altstadt-Restaurants. Der Tag ist lang, die Stadtbesichtigung ermüdet uns, das Hotel ruft.

7. Tag: Vilnius – Rundale – Sigulda

Heute morgen gibt es ein sehr frühes Frühstück. Wir haben eine lange Etappe – vielleicht die längste der Reise – vor uns. Da möchten wir nicht zu viel Zeit verschwenden. Zumal man ja mit Kind nie so genau weiß, wie gut man so „durchkommt“ und man die eine oder andere Pause einlegen muss. Über das Barockschloss Rundale – hier bleibt es allerdings bei einer Außenbesichtigung – geht es nach Sigulda. Der Gauja-Nationalpark, an dessen Rand Sigulda liegt, ist der größte und bekannteste Nationalpark Lettlands. Der Fluss Gauja hat sich im Laufe der Erdgeschichte einen Weg durch das Gestein gefressen und so einen Flusslauf ausgebildet, der malerisch von Sandsteinklippen, Sandbänken und Höhlen geprägt wird.
Nach den Stadtbesichtigungen der letzten Tage ist dies ein toller Ausgleich! Natur pur. Per Seilbahn geht es am Nachmittag von Sigulda auf die andere Seite der Gauja, wo wir zu den Burgen Krimulda und Turaida spazieren. Der Ausblick ist herrlich, die Seilbahnfahrt allerdings nichts für schwache Nerven, bei mir jedenfalls verursacht sie ein flaues Gefühl im Magen.
Schön ist, dass unser Sohn sich hier im Nationalpark mal wieder austoben kann – nach der langen Autofahrt und unbehelligt von wildem Straßenverkehr. Und auch wir sind froh, mal nicht über Kopfsteinpflaster zu flanieren und genießen den Spaziergang im Nationalpark.
Todmüde von der Fahrt und dem langen Spaziergang (die eine oder andere Steigung hat es echt in sich) fallen wir in die Betten.

8. Tag: Sigulda – Tartu

Von Sigulda aus geht es in die Universitätsstadt Tartu in Estland – junges Flair und doch altehrwürdig. Die Universität wurde 1632 gegründet und ist damit eine der ältesten Universitäten in Nordeuropa. In Tartu fand 1869 das erste estnische Sängerfest statt. Die Sangeskultur ist auch in Lettland und Litauen verbreitet. Traditionelle Volkslieder, die zur Zeit der sowjetischen Besatzung verboten waren, unterstreichen das nationale Bewusstsein der baltischen Nationen. Die Sangeskultur war es auch, die als friedliche Form der Revolte Estland, Lettland und Litauen Anfang der 1990er-Jahre in die Unabhängigkeit führte – bekannt auch als „Singende Revolution“.
Das hübsche Städtchen ist schnell erkundet: der Domberg, die Sternwarte, der Brunnen mit den sich küssenden Studenten. Der Rathausplatz ist herausgeputzt. Nette Cafés und Restaurants empfangen hungrige Touristen. Wir stärken uns bei einem Stück köstlichem Schokoladenkuchen im Café Pierre. Mit einem Kinderstuhl und Malsachen werden wir empfangen – Kinder sind also willkommen, wie schön! Mein Mann traut sich an eine Spezialität des Hauses heran, heiße Schokolade mit Grappa und Gorgonzola! Ich muss „leider“ ablehnen, denn ich bin heute mit Fahren dran. Im Café geht es nostalgisch zu. Die Einrichtung stammt aus früheren Zeiten, die Kellnerinnen passend gekleidet, trotzdem geht es hier nicht steif zu.
Überhaupt: Die Esten sind ein lockeres Volk, sind offenherzig, sympathisch, suchen das Gespräch mit uns. Und Kommunikation ist gar kein Problem. Englisch ist Standard, viele sprechen sogar Deutsch. Wir sind beeindruckt und genießen den gelegentlichen Plausch mit den Esten. Nach dem Café-Besuch noch rasch auf einen Spielplatz, damit unser Sohn bei den ganzen Besichtigungen nicht zu kurz kommt, und dann zum Hotel.

9. Tag: Tartu – Peipussee – Lahemaa- Nationalpark

Nach Tartu steht heute die große Weite auf dem Programm: der Peipussee. Darauf freue ich mich ganz besonders, denn die Einsamkeit entlang des Seeufers hatte mich bei meiner letzten Reise ganz besonders fasziniert.
Der Peipussee bildet die Grenze zu Russland und wir folgen seinem Ufer Richtung Norden. Kaum zu glauben, dass dies ein See ist – das andere Ufer kann man nicht einmal erahnen! Und an einem windigen Tag wie heute gibt es eine regelrechte Brandung. Das Ufer ist gesäumt von Schilf, einsamen Waldstücken und kleinen Ortschaften.

Altgläubige leben hier am See, jene Glaubensgemeinschaft, die sich im 17. Jahrhundert während der Reformation der russisch-orthodoxen Kirche von ihr abspaltete. Als Glaubensflüchtlinge verließen viele Russland, am einsamen Ufer des Peipussees haben sie eine neue Heimat gefunden. Varnja und Kolkja sind typische Altgläubigen-Siedlungen, die sogenannten Zwiebeldörfer. So finden sich hier einige russisch-orthodoxe Kirchen mit den typischen Zwiebeltürmchen. Aber nicht diese sind verantwortlich für den Namen Zwiebeldörfer: Die Menschen leben überwiegend von der Zwiebelzucht. Oder vom Fischfang. Sie leben ein bescheidenes Leben.
Apropos Fischfang: An einem kleinen Verkaufsstand am See erstehen wir bei einer alten Dame mit Kopftuch einen geräucherten Hecht. Picknick ist angesagt – am Nordende des Sees, direkt am Strand. Einfach, aber oho! Restaurants oder Geschäfte sind am Ufer des Sees sowieso rar gesät.

Vom Peipussee geht es in die nächste faszinierende Landschaft. Der Lahemaa-Nationalpark, nur etwa eine Autostunde östlich von Tallinn, ist der älteste und vielleicht auch bekannteste Nationalpark Estlands. Ich habe die Gegend noch gut in Erinnerung: Einsame, mit riesigen Findlingen gespickte Buchten, mit Moosen und Beerensträuchern bewachsene Wälder und urige Fischerdörfer.
Zunächst einmal fahren wir, vom Peipussee kommend, direkt zu unserer Unterkunft im Gutshaus Palmse. Lahemaa ist berühmt für die vielen Gutshöfe, ein Erbe der Deutschbalten, die verstreut in der weitläufigen Landschaft zu finden sind. Die Besitzer wurden enteignet und im Zuge des Zweiten Weltkrieges vertrieben, viele Höfe verfielen. Der schön restaurierte Gutshof Palmse, der auch das Informationszentrum des Nationalparks beherbergt, ist ein stilechtes Quartier, trotzdem nicht überkandidelt. Wunderbar! Hier kehren wir gerne ein.

10. Tag: Lahemaa-Nationalpark – Tallinn

Nach der Nacht auf dem Gutshof wollen wir uns vor unserer Weiterfahrt nach Tallinn dem Nationalpark widmen. Das „Kapitänsdorf“ Käsmu und auch Altja lohnen unbedingt einen Besuch, das wusste ich noch. Also fahren wir an die Küste und erkunden diese hübschen Dörfer mit ihrer traditionellen Holzbebauung. In Altja spazieren wir auf einem kleinen Pfad entlang der Küste, vorbei an riesigen Findlingen, Schilfflächen und kleinen Holzhäusern mit Fischernetzen. Wir genießen die Ruhe, die Idylle und die wunderschöne Natur.
Danach lassen wir es uns in dem kleinen, rustikalen Café von Altja gut gehen. Am liebsten würden wir noch einen Tag hierbleiben und den Nachmittag in der Sonne dösen, vielleicht Leihräder mieten und eine Radtour auf den ruhigen Straßen durch den Nationalpark unternehmen, aber unser Plan sieht das nicht vor. Gestärkt brechen wir also nach Tallinn auf, wo wir gegen Abend ankommen.
Wir überlegen noch, ob wir uns ins Getümmel stürzen sollen, entscheiden uns aber dagegen. Der morgige Tag steht eh ganz im Zeichen der estnischen Hauptstadt. Also: Gute Nacht!

11. Tag: Tallinn

Frühstück und los geht’s! Tallinn empfängt uns mit seiner verwinkelten, durchweg historischen und vor allem gut besuchten Altstadt. Wir schlendern durch die Gasse Pikk mit den Gildehäusern und durch die Katharinen-Passage, entlang der massiven Stadtmauer und zur noch massiveren „Dicken Margarethe“, ein alter Wehrturm. Auf dem Rathausplatz wird gerade Markt abgehalten, Stöbern ist angesagt. Handarbeiten aus Wolle und Leinen, Holzwaren und Keramik sind beliebte Handelsprodukte. Im Hintergrund steht das hübsche Rathaus mit seiner spätgotischen Fassade, das bereits 1322 erstmals erwähnt wurde.
Wir bekommen mal wieder Hunger. Und das ist in Tallinn zum Glück kein Problem. Unzählige Cafés und Restaurants laden die vielen Besucher der Stadt ein. Viele davon muten mittelalterlich an, passend zum „Outfit“ der ganzen Stadt. Wir entscheiden uns für ein Mittagessen im Restaurant Olde Hansa nahe dem Rathausplatz. Wer deftig unterwegs ist, der bestellt eine Wildschweinplatte. Wir entscheiden uns für die leichtere Variante und ordern Hühnchen. Unser Kellner trägt eine Mittelalterrobe, das Restaurant ist dunkel, rustikal, Kerzen und mittelalterliche Dekoration sorgen für Gemütlichkeit. Ja, Mittelalter, das ist das Thema der Stadt, überall wird es aufgegriffen. Manchmal ist es ein bisschen plakativ, aber insgesamt doch irgendwie sympathisch, wie sich die Stadt so präsentiert. Und schließlich gibt ihr die Geschichte ja Recht.
Nach dem Mittagessen gehen wir hinauf auf den Domberg und tauchen ein in die Welt der Geistlichen und Adeligen. Das Schloss und die prächtige Alexander-Newski-Kathedrale – mit ihren Zwiebeltürmen ein Sinnbild der Russifizierung Estlands – sind nicht nur einen Blick wert. Und der Ausblick auf die Unterstadt und den Hafen ist einfach fantastisch!
So klingt denn unser Tag in Tallinn aus. Das Kopfsteinpflaster hat uns mal wieder zugesetzt, so schön es ist … um lange darauf zu laufen, sollte man unbedingt gutes Schuhwerk mitnehmen.

12. Tag: Tallinn – Pärnu – Riga

Tallinn hat auch andere Seiten, das sehen wir, als wir die estnische Hauptstadt über die Ausfallstraße 8 Richtung Südwesten verlassen. Sozialistisches Erbe, Plattenbauten, Hochhaussiedlungen. Schon bei der Anreise, auf der Fähre, haben wir Kristjan kennengelernt, einen Trucker auf dem Rückweg von Holland, der mit seiner Familie in einer dieser Trabantensiedlungen vor Tallinns Toren lebt. Er hatte uns ein wenig von seinem Leben erzählt und damit unseren Blick für die weniger touristischen Seiten geschärft. So wunderschön Tallinn doch ist, es ist dennoch eine Metropole mit mehr als 400.000 Einwohnern, die sich wie alle anderen Großstädte mit sozialen Problemen plagt. Und im ganzen Baltikum gibt es eine Spaltung zwischen den Litauern, den Letten und Esten und den ethnischen Russen. Nach der Sowjetherrschaft hat sich das Kräfteverhältnis umgekehrt.

Wir machen einen kurzen Tankstopp, die Benzinpreise sind im Baltikum erfreulicherweise günstiger als bei uns, und fahren Richtung Süden. Wir lassen Tallinn hinter uns und steuern Pärnu an, auch als „Sommerhauptstadt Estlands“ bekannt. Wir nutzen den Stopp, um uns die Beine zu vertreten, schlendern vorbei an hübschen Holzvillen, durch den Kurpark und zum Strand. Hier ist Erholung angesagt, die Atmosphäre ist gediegen und ruhig. Noch ein Kaffee im Garten des zauberhaften Cafés Supelsaksad mit der bonbonfarbenen Einrichtung – die Esten scheinen einen Sinn für nostalgische Cafés zu haben – und weiter geht es.

Wir möchten noch den Soomaa-Nationalpark sehen, der berühmt ist für seine einsame Moorlandschaft. Die Anfahrt gestaltet sich leider ein wenig schwierig, der Park und die Wanderwege, für die wir uns entscheiden, sind schlecht ausgeschildert. Schotterpisten, Sandstraßen. Aber es lohnt sich. Die Landschaft ist so toll, so still. Man kann die Ruhe förmlich hören.

Nach so viel Beschaulichkeit steht nun Riga auf dem Programm. Durch den Abstecher zum Nationalpark ist es ein langer Tag geworden … wir sind froh, als wir das Hotel erreichen.

13. Tag: Riga

Riga, größte Stadt im Baltikum, ist ein Kontrastprogramm zu den kleinen Seebädern und dem landschaftlich so reizvollen Nationalpark von gestern. Aber das macht unsere Rundreise ja auch so spannend!
Wir starten unser Besichtigungsprogramm am Marktplatz. Hier nämlich steht das berühmte Schwarzhäupterhaus. Es diente zur Zeit der Hanse als Treffpunkt für unverheiratete Kaufleute. Wir bewundern die prächtige Fassade des Kaufmannshauses. Dann entschließen wir uns, dem Okkupationsmuseum nebenan einen Besuch abzustatten. Es arbeitet die Geschichte der Besatzung Lettlands durch die Nationalsozialisten und die Sowjets auf. Harte Kost, gut aufbereitet. Das Museum ist informativ, der Besuch lohnt sich. Leider fällt er kürzer aus, als erwartet: Der Jüngste unserer „Reisegruppe“ bringt einfach nicht die Geduld für einen Museumsbesuch mit … verständlich.
Dann schlendern wir noch zum Dom, zum Schwedentor und zum Schloss. Dank der nicht enden wollenden Tage während der Sommermonate ist das Besichtigungsprogramm im Prinzip bis in den späteren Abend hinein ausdehnbar. Wir nehmen ein bisschen Weg in Kauf und spazieren in die Neustadt von Riga, denn hier befindet sich das Jugendstilviertel. Knapp 800 Gebäude dieser Epoche zieren Riga. Dicht an dicht stehen sie in der Alberta iela und in der Elizabetes iela, durch die wir flanieren – den Blick immer nach oben gerichtet, auf die mit reicher Ornamentik gestalteten Fassaden. Schade, einige der Häuser scheinen dem Verfall gewidmet, was dem Charme aber keinen Abbruch tut. Der deutschbaltische Architekt Michail Eisenstein ist verantwortlich für viele Gebäude in der Neustadt. Ebenso Konstantins Peksens, eines „seiner“ Häuser, die Alberta iela 12, ist heute ein Jugendstil-Museum.
Aus der Neustadt geht es zurück zum Hotel. Unterwegs kehren wir noch in einem kleinen Restaurant ein. Pfannekuchen stehen auf der Karte, in allen möglichen Varianten. Bestens: geeignet für Jung und Alt …

14. Tag: Riga – Kuldiga

Von Riga aus fahren wir zunächst einmal nach Jurmala, ein Seebad vor den Toren der Hauptstadt. Ein Spaziergang durch den Ort mit den hübschen Holzvillen und am Strand ist Pflicht (und dank unseres sandtauglichen Kinderwagens – ein Fahrradanhänger mit großen Reifen – auch möglich). Allerdings ist es voll hier und so zieht es uns wieder auf die Straße.
Es geht nach Kuldiga in Kurzeme. Die eigentlich geplanten Besichtigungen auf dem Weg dorthin lassen wir ausfallen. Wir möchten lieber etwas früher am Ziel ankommen und den Tag in Ruhe in Kuldiga ausklingen lassen. Kuldiga hat einen gut erhaltenen historischen Ortskern. Wir schlendern durch die Straßen und suchen uns für den Abend ein kleines Restaurant.

15. Tag: Kuldiga – Palanga – Klaipeda

Von Kuldiga geht es wieder an die Küste, durch Liepaja, wo wir nur einen kurzen Stopp einlegen, und in das litauische Palanga. Hier machen wir eine Mittagspause und entspannen ein wenig in der Sonne. So richtig dringend zieht es uns nicht zurück nach Klaipeda, unser Tagesziel und Start- und Endpunkt unserer Rundreise. Daher machen wir noch einen letzten Strandspaziergang … und dann geht es nach Klaipeda.

16. Tag: Klaipeda – Kiel

Heute können wir den Tag in Ruhe angehen. Unser Sohn lässt uns einigermaßen lange schlafen und so starten wir mit einem späten Frühstück. Da wir eh erst gegen Mittag am Hafen sein müssen, kein Problem.
Nach der letzten Nacht auf litauischem Boden verabschieden wir uns nun also von Klaipeda und dem Baltikum, sind etwas wehmütig, aber freuen uns auch auf zu Hause. Alles gepackt, und ab geht es zum Fährhafen. Wir manövrieren uns erneut durch das Hafengebiet, ein unkompliziertes Einchecken, ein etwas komplizierteres Einparken auf dem Autodeck, Bezug unserer Kabine und dann gehen wir auf Deck für einen letzten Blick auf Litauen. Geschäftig geht es zu, große Schiffe, Lastwagen, Container – Hafenatmosphäre. Welch ein Kontrast zu diesen pittoresken Städtchen und geschichtsträchtigen Metropolen dieser drei Länder, zu der wilden, unberührten Natur. Die Fähre legt ab und schiebt sich erneut durch die schmale Stelle zwischen Kurischer Nehrung und Festland, erreicht das offene Meer.
Kiel ist unser Ziel. Auf Wiedersehen, Baltikum!